BIGORIO 2003 NAUSEA Konsensus zur Best Practice für Palliative Care in der Schweiz – Expertengruppe der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Plege und Begleitung Einleitung 2. Warum kommt es zu
Chronische Nausea (Ãœbelkeit), mit oder ohne Erbrechen,
dem Problem?
tritt bei 40–70% der Patienten mit fortgeschrittener Tu-morerkrankung auf, aber auch bei vielen anderen weit
Chronische Nausea hat unter mehreren Ursachen oft ei-
fortgeschrittenen Erkrankungen (bspw. Kardiologie) und
nen Hauptgrund. Wo möglich und sinnvoll, sollte kausal
hat erheblichen Einfluss auf die Lebensqualität.
Nausea und Erbrechen führen gehäuft zu subtherapeu-tischen Medikamentendosen und zu gehäuften Therapie-abbrüchen. 2.1. Klinische Situationen und differential-
Chronische Nausea ist oft multifaktoriell bedingt. Wo
diagnostische Ãœberlegungen
möglich und sinnvoll, sollten die Ursachen behoben wer-den. Für eine evidenz-basierte symptomatische Behand-
Andauernde Nausea ist charakteristisch für toxische oder
lung der chronischen Nausea ist die Datenlage noch un-
metabolische Ursachen, Erleichterung durch Erbrechen
befriedigend. In erster Linie werden Metoclopramid und
spricht für intestinale Ursachen bzw Obstruktion, Erbrechen
Haloperidol empfohlen. Beide wirken auch bei der opiat-
im Schwall und unabhängig von der Nahrungsaufnahme
induzierten Nausea. Spezifische pflegerische Massnahmen
ist typisch für erhöhten Hirndruck. Begleitbeschwerden
können viel zum Wohlbefinden beitragen.
wie Koliken, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, können wich-tige differentialdiagnostische Hinweise liefern. Andere, be-lastende Zustände wie unkontrollierte Schmerzen, Angst oder Depression können Nausea und Erbrechen auslösen
Was verstehen wir unter diesem Problem ? Andauernde Übelkeit – charakteristisch für metabo- 1.1. Definitionen lische oder toxische Ursachen DD Nieren-, Leberinsuffizienz, Infekt, Medikamente, Hy- Nausea (Übelkeit)
perkalzämie (Mamma-, Bronchus-, Prostata-Ca, Multiples
Unangenehmes Gefühl bis hin zum Gefühl von drohendem
Myelom), Hyponatriämie und –kaliämie, Anorexie-Kache-
Erbrechen. Bei einer Dauer von über ein bis zwei Wochen
Erleichterung durch Erbrechen – charakteristisch für Erbrechen intestinale Ursachen
Reflex, bei dem der Mageninhalt durch den Mund entleert
Weitere Hinweise für die Ursache können Aussehen des
wird; entsteht durch Relaxation von distalem Oesopha-
Erbrochenen (Frischblut, Melaena, Miserere) und Art der
gussphincter, Magen und Pylorus, vermehrte duodenale
Begleitschmerzen (z.B. kolikartige Schmerzen bei Obstruk-
Motilität, kräftige Bauchpresse und Zwerchfelldruck.
tion, Nüchternschmerz bei Magenulcus, postprandialer
Durch die Vagusreizung entstehen neurovegetative Be-
gleitbeschwerden, wie Blässe, Tachykardie, kalter Schweiss, Speichelfluss, Durchfall. Mögliche Komplikationen sind
Erbrechen ohne Nausea – charakteristisch für zentra-
Aspiration, Dehydratation und dadurch vermehrte Medi-
le Ursache
kamententoxizität oder aber unsichere Medikamenten-
Hinweise für erhöhten Hirndruck können Erbrechen im
aufnahme durch erbrochene Medikamentenreste, Oeso-
Schwall ohne Nausea und unabhängig von Mahlzeiten,
phagitis/Mallory-Weiss-Syndrom, metabolische Alkalose,
Kopfschmerzen, neurologische Defizite, Papillenödem lie-
Elektrolytverlust und Mangelernährung.
Weitere Begriffe: Vorliegen anderer, schlecht kontrollierter Zustände?
Dyspepsie: Weit gefasste Bezeichnung für Verdau-
Hat der Patient schlecht kontrollierte Schmerzen?
ungsstörungen mit Unwohlsein oder Schmerzen im
Ist der Patient sehr ängstlich oder depressiv?
Oberbauch (Twycross). Dyspepsie kann frühes Sätti-
Hat der Patient eine oropharyngeale oder pulmonale Af-
gungsgefühl, Völlegefühl, Blähungen, Aufstossen,
fektion (Soor, Tumor, Erbrechen durch Hustenattacken)?
Sodbrennen, Schluckauf, Nausea oder Erbrechen be-
Sodbrennen: Brennender retrosternaler Schmerz, der durch Reflux von saurem Mageninhalt in die Speise-röhre entsteht. BIGORIO 2003 NAUSEA Konsensus zur Best Practice für Palliative Care in der Schweiz – Expertengruppe der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Plege und Begleitung 2.2. Chronische Nausea bei 2.5. Ergänzende Untersuchungen Tumorerkrankungen
Je nach Situation Na, Harnstoff, Krea, Ca
2.2.1. Tumorbedingt
Abdomen liegend (Koprostase) und stehend
Beeinträchtigung des autonomen Nervensystems
(Spiegel) bei DD schwerer Obstipation, Ileus
(Gastroparese, Anorexie-Kachexie-Syndrom)
Weitere Untersuchungen gemäss Konstellation der Symp-
Erhöhter abdominaler Druck (Hepatomegalie, Aszites,
Ileus (akut oder chronisch, komplett oder inkomplett)
Metabolische Ursachen (Leber-, Niereninsuffizienz, Hyperkalzämie, Hyponatriämie)
Wie kann man
Erhöhter Hirndruck (i.d.R. Erbrechen im Schwall ohne
behandeln? 3.1. Kausale Behandlung («Treatment») 2.2.2. Therapiebedingt
Behandelbare Auslöser oder Verstärker sollten identifiziert und behoben werden. Beispiele:
Chemotherapie (speziell als Spätwirkung)
Obstipation:
Opiate (speziell bei Therapiebeginn, starker Dosisstei-
Osmotisch wirksame und stimulierende Laxantien; Quell-
mittel kontraindiziert (Gefahr der Eindickung). Die chro-
nische Obstipation ist häufig und sollte immer gesucht
werden. Oft verstärkt durch Inaktivität, geringe Trink-
Antibiotika, Digoxin, orale Eisensubstitution
menge, Medikamente (Opiate, Spasmolytika, Antidepres-siva, Antikonvulsiva, Chemotherapeutika).
2.2.3. Begleitursachen Medikamente (speziell Opiate): stoppen, ersetzen oder reduzieren; Opiatrotation, wenn
Akkumulation von Metaboliten vermutet wird.
Systemische und lokale Infekte (z.B. Soorstomatitis)
Erhöhter Hirndruck:
Psychogen (antizipatorische Reaktion, Angst)
Elektrolytstörungen, Dehydratation: korrigieren. Dehydratati-
on kann zahlreiche Co-Faktoren für eine Nausea verstärken
2.3. Anamnese
(z.B. Obstipation, Medikamententoxizität, Niereninsuffizienz).
Was liegt vor? Ãœbelkeit und/oder Erbrechen?
Husten als Auslöser des Erbrechens behandeln. Infekte je nach Gesamtprognose behandeln.
Intensität messen (z.B. mit einer visuellen Analogskala VAS). Unkontrollierte Schmerzen, Angst
Häufigkeit, ungefähre Menge, Aspekt (Gal-le, Unverdautes, Melaena, Miserere).
Verstärkende und mildernde Faktoren identifizieren. 3.2. Symptomatische Behandlung
(«Management») 2.4. Klinische Untersuchung 3.2.1. Pflegerische Massnahmen
Pflegerische Massnahmen können massgeblich zur verbes-
Ruhige, geruchfreie Umgebung, rasches Entfernen von
Erbrochenem, bequeme Lagerung, häufige Mundpflege,
Fokalneurologische Ausfälle, Meningismus,
Wunschkost, kleine, appetitliche Mahlzeiten, kohlesäure-
BIGORIO 2003 NAUSEA Konsensus zur Best Practice für Palliative Care in der Schweiz – Expertengruppe der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Plege und Begleitung
Auf subkutane, rektale oder transdermale Medikamenten-
Chlorpromazin (Chlorazin): 25–50 mg p.o, rekt., s.c.
Nicht prokinetisch, stark anxiolytisch. Cave Sedation, selten EPS. 3.2.2. Alternative, nicht-pharmakologische
Droperidol (Droperidol, früher DHBP): bis 7,5 mg s.c.,
Massnahmen
i.v. in 3 Dosen oder kontinuierlich.
Potent, leicht sedierend. Cave arterielle Hypotonie,
Als effektiv werden Massage und andere Entspannungs-
techniken sowie Akupunktur und Hypnose beschrieben.
5-HT3-Rezeptorenblocker (Granisetron, Ondanse tron, Tropisetron): Wirkung bisher nur bei akuter Nausea unter Chemo- und Radiotherapie erwiesen. Mögli-
3.2.3. Medikamentöse Massnahmen
cherweise auch bei wenigen Patienten mit fortge-schrittenem Tumorleiden wirksam. Nicht prokine-
Für eine effektive Behandlung soll zu Beginn der Applika-
tisch, keine EPS. Cave Kopfschmerzen, Obstipation.
tionsweg überdacht werden. Bei chronischer Nausea emp-
fiehlt sich für die ersten 24 bis 48 Stunden der parenterale Applikationsweg (auch bei erhaltener enteraler Passage).
Die meisten Erfahrungswerte zu den Antiemetika gibt
Bei gastrointestinaler Obstruktion sind prokinetische
es aus der Onkologie, insgesamt liegen jedoch nur weni-
ge aussagekräftige Untersuchungen vor, um eine Evidenz
Bei stabiler Situation perorale Therapie in Betracht zie-
auch bei chronischer Nausea und/oder Erbrechen zu unter-
hen. Dexamethason möglichst rasch reduzieren.
mauern. Einzig bei Metoclopramid (Paspertin, Primperan,
Benzodiazepine haben keine intrinsische antieme-
Gastrosil) konnte ein Effekt nachgewiesen werden. Wegen
tische Wirkung, wegen ihrer anxiolytischen, dämp-
seines starken prokinetischen Effekts ist es bei intestinaler
fenden und distanzierenden Wirkung eignen sie sich
Obstruktion kontraindiziert. Wichtigste Alternative stellt
jedoch als Co-Therapeutika und werden bei antizipa-
das nicht prokinetisch wirksame Haloperidol (Haldol) dar.
torischem Erbrechen empfohlen. Ähnliches gilt für
Beide Medikamente wirken auch gegen die opiat-indu-
die anxiolytisch und antipsychotisch wirkenden aty-
pischen Neuroleptika wie Olanzapin (Zyprexa).
Tetrahydrocannabinol (THC) hat sich bisher kaum
Metoclopramid 10 mg p.o. oder s.c. alle 4 Stunden und
durchgesetzt (Antrag über www.swissmedic.ch).
bei Bed. 10 mg bis einstündlich in Reserve
Bei mangelnder Wirkung (nach 24 Stunden) 3.2.4. Besondere Massnahmen
Metoclopramid wie oben und Dexamethason 10–20 mg
bei starkem Erbrechen
Bei volumenreichem Erbrechen können Medikamente er-
Bei mangelnder Wirkung (nach 24-48 Stunden)
wogen werden, welche die gastrointestinale Sekretion und
Metoclopramid 60-120mg in kontinuierlicher Infusion (s.c.
oder i.v.) in 24 Stunden und Dexamethason wie oben
Hyoscinbutylbromid (Buscopan): 60 –120 mg pro Tag rekt., s.c. oder i.v. Bei mangelnder Wirkung (nach 24-48 Stunden)
Octreotid (Sandostatin): 100 –200µg 8stdl. oder kon-
Neubeurteilung der klinischen Situation und Auflisten der
tinuierlich s.c.; potenter, aber sehr teuer.
Bei therapierefraktärem Erbrechen kann eine Entlastungs-
Je nach Neubeurteilung das Antiemetikum wechseln auf:
sonde sinnvoll sein. Kurzzeitig ist eine nasograstrale Sonde
Haloperidol (Haldol): 0,3–1mg/Tag p.o., s.c. oder i.v.
einsetzbar (cave Irritation, Druckstellen), längerfristig stellt
die PEG (perkutane endoskopische Gastrostomie) die Me-
Erste Alternative bei opiat-induzierter Nausea, nicht
prokinetisch, in höheren Dosen antipsychotisch-dämpfend. Cave Extrapyramidales Syndrom (EPS).
Domperidon (Motilium): 10–20 mg p.o. oder lingual bis 4 mal tgl. vor den Mahlzeiten.
Vorteilhaft bei Gastroparese. Eher ungeeignet bei Opiat-induzierter Nausea. BIGORIO 2003 NAUSEA Konsensus zur Best Practice für Palliative Care in der Schweiz – Expertengruppe der Schweiz. Gesellschaft für Palliative Medizin, Plege und Begleitung 4. Offene Fragen
Antiemetika: unbefriedigende Datenlage zur Evidenz bei
Heike Gudat, Sophie Pautex, Sylviane Bigler, Claudia Ga-
chronischer Nausea in Palliative Care, besonders bei teuren
mondi, Sybille Marty, Luisella Manzambi-Maggi,.
SubstanzenSandostatin: unbefriedigende Datenlage zur Evidenz, aber zunehmend in Gebrauch (und zunehmend verlangt!)Evaluation der Nausea bei verwirrten und dementen Pa-tienten
Literatur 5.1. Links http://www.pal iative.org/PC/ClinicalInfo/Clinical%20Pract ice%20Guidelines/ClinicalPracticeGuidelinesIDX.html 5.2. Literatur
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High Deductible Health Plan (HDHP) - Health Savings Account (HSA) Preventive Therapy Drug List (07/01/13) ANTICONVULSANTS CARDIOVASCULAR CONDITIONS - ANTIARRHYTHMIC AGENTS ORAL ANTIANGINAL AGENTS COMBINATION ANTIHYPERLIPIDEMICS SL and chewable formulations are not included TRANSDERMAL/TOPICAL ANTIANGINAL DIABETES DIAGNOSTIC AGENTS AND SUPPLIES CORON