Adhs report 24 - manfred döpfner und weitere - mai 2006.doc

Recherchen
Berichte
Aktuelles aus Klinik und Praxis
Wissenschaftliche Leitung:
Prof. Dr. sc. hum. Manfred Döpfner, Köln
Prof. Dr. med. Gerd Lehmkuhl, Köln
Dr. rer. nat. Roland Fischer, Iserlohn
Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen · Referate für Klinik und Praxis 7.
Jahrgang, Mai 2006
AD S-REPORT 24
Editorial 24A
Alternative Therapien: Mehrfach ungesättigte Fettsäuren
Manfred Döpfner
Grundlagen
Ungefähr 50 % bis 60 % des Gehirns eines Erwachsenen wird durch Lipide gebildet, wobei mehrfach
ungesättigte Fettsäuren mit 35% einen hohen Anteil haben. Es gibt zwei Gruppen von mehrfach
ungesättigten Fettsäuren, die Omega-6-Fettsäuren, hergeleitet aus der Linolsäure und die Omega-3-
Fettsäure, die aus Alpha-Linolensäure gebildet wird. Linolsäure und Alpha-Linolensäure sind essenziell,
d.h. können nicht selbst hergestellt, sondern müssen über die Nahrung zugeführt werden. Abb. 1 zeigt
den Stoffwechselweg der mehrfach ungesättigten Fettsäuren, die im Körper durch Umwandlung der
essenziellen Linolsäure bzw. der essenziellen Alpha-Linolensäure mit Hilfe des Enzyms Delta-6-
Desaturase hergestellt werden. Arachidonsäure (AA) und Docosahexaensäure (DHA) sind in hoher
Konzentration im Gehirn vorhanden; sie sind bei der Aufrechterhaltung von Funktionen der
Nervenzellmembran wichtig und tragen zur neuronalen Signalübertragung bei. Mehrfach ungesättigte
Fettsäuren sind zudem Vorstufen einer Gruppe höchst aktiver kurzlebiger Moleküle, der Prostaglandine,
die unter anderem mit der dopaminergen Neurotransmission interagieren.
Omega-6-Fettsäuren Omega-3-Fettsäuren
Ein DHA-Mangel konnte mit verschiedenen neuropsychologischen Defiziten einschließlich kognitiver
Beeinträchtigungen (Birch et al., 2000) und reduzierter zerebraler Funktionen (Jamieson et al., 1999) vor
allem bei Kleinkindern in Verbindung gebracht werden. Bei Erwachsenen ist eine optimale Balance
zwischen Omega-3- und Omega-6 Fettsäuren für normale neuronale Funktionen wesentlich (vgl.
Schachter et al., 2005).
Eine direkte Zufuhr von Gamma-Linolensäure, Docosahexaensäure, Eicosapentaensäure und
Arachidonsäure ist über Fisch- und Pflanzenöle möglich (siehe Tab. 1). Fleisch und Milchprodukte
enthalten Arachidonsäure. Mehrfach ungesättigte Fettsäuren können auch über Fertigpräparate,
z.B. Efalex aufgenommen werden, das Arachidonsäure, Docosahexaensäure, Gamma-Linolensäure
und Eicosapentaensäure enthält.
Fettsäuren und ADHS
In ihrem für die Agency for Healthcare Research and Quality beim U.S. Department of Health and Human
Services erstellten systematischen Report zur Wirkung von Omega-3-Fettsäuren auf die seelische
Gesundheit fanden Schachter et al. (2005) bis Ende 2003 insgesamt drei veröffentlichte Studien zum
Zusammenhang zwischen ADHS-Symptomen und der Konzentrationen von Omega-3- oder Omega-
6/Omega-3-Fettsäuren im Blut (Mitchell et al., 1983, 1987; Stevens et al., 1995). Während die Studie von
Mitchell et al. (1985) keine eindeutigen Unterschiede in der Fettsäurekonzentration bei
verhaltensauffälligen im Vergleich zu unauffälligen Kindern erbrachte, konnten die Autoren in ihrer zweiten
Studie (Mitchell et al., 1987) bei 48 hyperaktiven Kindern signifikant erniedrigte Serum-
Fettsäurekonzentrationen an Docosahexaensäure, Dihomo-Gammalinolensäure und Arachidonsäure im
Vergleich zu 49 unauffälligen Kindern feststellen.
In der Studie von Stevens et al. (1995) wiesen 53 Studienteilnehmer mit ADHS signifikant niedrigere
Konzentrationen an mehrfach ungesättigten Fettsäuren im Plasma (AA, EPA und DHA) und in
Erythrozytenmembranen (AA und Adrensäure) auf als 43 Kontrollteilnehmer. Darüber hinaus lagen bei
einer Untergruppe aus 21 Studienteilnehmern mit ADHS, die viele Symptome für Defizite an
essentiellen Fettsäuren aufwiesen, die Plasmakonzentrationen für AA und DHA signifikant unter
denjenigen von 32 Studienteilnehmern mit ADHS mit wenigen Symptomen für einen Mangel essentieller
Fettsäuren. Die wenigen vorliegenden Studien weisen somit überwiegend auf einen Zusammenhang
zwischen ADHS-Symptomen und reduzierten Konzentrationen mehrfach ungesättigter Fettsäuren im
Blutplasma oder in Erythrozytenmembranen hin. Allerdings wurden in keiner der Studien die formalen
Diagnose-Kriterien für ADHS / Hyperkinetische Störungen eingesetzt.

Fettsäuren als primäre Therapie
Interventionsstudien, die lediglich DHA (Voigt et al., 1999) oder Nachtkerzenöl (eine Quelle
für Omega-6-Fettsäuren) verwendeten (Aman et al., 1987, Arnold et al., 1989, 1994), berichteten
über schwankende, jedoch größtenteils erfolglose Resultate. In ihrem systematischen Report zur
Wirksamkeit von Omega-3-Fettsäuren auf die seelische Gesundheit kommen Schachter et al. (2005) bei
Analyse der bis Ende 2003/ Anfang 2004 veröffentlichten vier Studien zur Wirksamkeit ungesättigter
Fettsäuren auf ADHS-Symptome überwiegend auf negative Ergebnisse. Die Autoren fassen die
Ergebnisse der Studien zur Wirksamkeit ungesättigter Fettsäuren als primäre Therapie (Richardson et al.,
2002; Hirayama et al., 2004; Brue et al., 2001, Harding et al. 2003) dahingehend zusammen, dass die
Effekte bestenfalls als inkonsistent zu bezeichnen sind. Die Studien zeigen keine durchgängige
Verbesserung in den klinischen Ergebnissen und keine der Studien nutzt die formalen Diagnosekriterien
zur Identifikation von ADHS.
Die Studien von Hirayama et al. (2004) (Nahrungsmittel mit hohem Anteil von Fischöl, vor allem
Docosahexaensäure und Eicosapentaensäure) und Harding et al. (2003) (Kombination aus mehreren
Fettsäuren) konnten keine signifikanten Differenzen zwischen den Therapie- und Placebo-Gruppen
nachweisen, wobei die Studie von Harding et al. (2003) auf Grund von Selektionsfehlern vermutlich
unzuverlässig ist. Zwei Studien, in denen einige signifikante Effekte gefunden wurden, verwendeten eine
Kombination aus verschiedenen Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren sowie teilweise anderen
Substanzen (Richardson & Puri, 2002; Brue et al., 2001). Brue et al. (2001) konnten keine signifikanten
Unterschiede zwischen den Gruppen bezüglich der von Eltern und von Lehrern beurteilten
Unaufmerksamkeit nachweisen. Die von den Lehrern beurteilte Hyperaktivität/Impulsivität verbesserte
sich in der Interventionsgruppe stärker als in der Kontrollgruppe; allerdings wurden bezüglich der Eltern-
Einschätzung gegenteilige Ergebnisse erzielt. In der Studie von Richardson & Puri (2002) erhielten die
Kinder der Interventionsgruppe eine Kombination aus Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren. Von den 41
eingeschlossenen Patienten wurde die Studie von 15 Patienten in der Interventionsgruppe und von 14
Patienten in der Placebogruppe beendet. In der Interventionsgruppe konnten bei Behandlungsende auf 3
von 14 Erfolgsmaßen Therapieeffekte belegt werden: in der Therapiegruppe zeigten sich bei
Therapieende im Vergleich zur Kontrollgruppe signifikant geringere Auffälligkeiten bezüglich der von den
Eltern beurteilten Unaufmerksamkeit (DSM-IV), dem globalen ADHS-Index nach Conners und hinsichtlich
psychosomatischer Symptome. Auf drei weiteren Skalen fanden sich statistische Trends. Durch die
geringen Stichprobengrößen hat diese Studie eine geringe statistische Power; die signifikanten Effekte
liegen im Bereich von etwa einer halben Standardabweichung, was auf eine Effektstärke hinweist, die
etwa halb so groß ist wie bei Psychostimulanzien.

Fettsäuren als ergänzende Therapie
In ihrem systematischen Bericht beschreiben Schachter et al. (2005) drei Studien, welche die Wirksamkeit
von mehrfach ungesättigten Fettsäuren als ergänzende Therapie zur Pharmakotherapie untersuchen, d.h.
in Gruppen, die bereits pharmakologisch behandelt wurden (Brue et al., 2001; Voigt et al., 2001; Stevens
et al., 2003). Die Ergebnisse dieser Studien sind tendenziell noch ungünstiger als die Ergebnisse zu
Fettsäuren als primäre Therapieformen. Voigt et al. (2001) untersuchten die Supplementierung von DHA
bei n=63 Kindern im Alter von 6-12 Jahren mit der Diagnose ADHS, die bereits erfolgreich mit
Stimulanzien behandelt wurden. Die Autoren fanden keine statistisch signifikanten Unterschiede zwischen
den Gruppen auf neuropsychologischen Tests zur Unaufmerksamkeit und bei den erhaltensbeurteilungen
der Eltern. Sie fanden allerdings nicht-signifikante klinische Unterschiede zwischen den beiden Gruppen,
die mit DHA-Plasmaspiegeln korrespondierten.
Stevens et al. (2003) fanden fast keine Hinweise auf einen klinischen Nutzen der Kombination von
Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren im Vergleich zu Olivenöl-Placebo bei Kindern mit ADHS-
Symptomatik und Durst-Symptomen sowie Hautproblemen, die auf Omega-3-Defizite hinweisen.
Nur vier Patienten der Gruppe erhielten keine ADHSspezifische Medikation. Signifikante Therapieeffekte
konnten nur auf 2 von 16 Erfolgsmaßen belegt werden (aggressives Verhalten im Urteil der Eltern und
Aufmerksamkeitsprobleme im Urteil der Lehrer). Die Supplementierung führe nicht zu einer deutlichen
Verminderung der Durst-/Haut-Symptome. Bezüglich der Veränderungen der Blutplasmakonzentrationen
der Fettsäuren fanden sich ebenfalls keine Unterschiede In der Studie von Brue et al. (2001) in
Stichproben, die bereits medikamentös behandelt wurden, konnten Therapieeffekte durch die
Nahrungsmittelergänzung bezüglich der Verminderung der Unaufmerksamkeit nach dem Urteil
der Lehrer festgestellt werden. Hinsichtlich der Hyperaktivität-Impulsivität und hinsichtlich der
Einschätzung der Eltern ließen sich keine Effekte nachweisen.

Oxford-Durham Study
In die systematische Übersicht von Schachter et al. (2005) ist eine sehr interessante aktuelle Studie, die
Oxford-Durham Study nicht eingegangen, die Richardson & Montgomery (2006) in Pediatrics publizierten
(siehe auch: Für Sie gelesen). In dieser Studie wurde die Behandlung von Kindern im Alter von 5 bis 12
Jahren mit der Diagnose einer Koordinationsstörung untersucht, wobei die Mehrzahl der Kinder zusätzlich
zu den Koordinationsstörungen ausgeprägte Lese- und Rechtschreibstörungen sowie ADHSSymptome
aufwiesen: von den 60 Kindern der Interventionsgruppe zeigten 55 Kinder deutliche Lese- /
Rechtschreibschwächen und 50 Kinder ausgeprägte ADHSSymptome; von den 57 Kindern der Placebo
Gruppe wurden bei allen deutliche Lese-/ Rechtschreibprobleme sowie bei 52 Kindern ausgeprägte
ADHS-Symptome festgestellt. Das durchschnittliche Lese- und Rechtschreibalter lag etwa ein Jahr unter
dem chronologischen Alter und auf dem Conners-Lehrerfragebogen zur Erfassung von ADHS-
Symptomen lagen die Fragebogen-Werte durchschnittlich etwa eine Standardabweichung über den
entsprechenden Populationsnormen.
Die Behandlung bestand aus einer Kombination von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren (täglich 6
Kapseln mit 80% Fischöl und 20% Nachtkerzenöl = 558 mg Eicosapentaensäure, 174 mg
Docosahexaensäure (DHA), 60 mg Gamma-Linolensäure, 9.6 mg Vitamin E ) über einen Zeitraum von
drei Monaten. Hinsichtlich der motorischen Funktionen konnten keine Behandlungseffekte nachgewiesen
werden, wohl aber hinsichtlich der Lese- und Rechtschreibfertigkeiten sowie der ADHS-Symptomatik
und anderer emotionaler und Verhaltensprobleme im Urteil der Lehrer. Die Effekte zeigten sich auf allen
Skalen zur Erfassung von ADHS-Symptomen sowie von aggressiven Verhaltensauffälligkeiten und
ängstlichem Verhalten. Lediglich auf 2 von 13 Erfolgsmaßen konnte kein Effekte nachgewiesen werden
(Perfektionismus und soziale Probleme). Auf der globalen ADHS-Skala wurde eine Reduktion von 0,5
Standardabweichung festgestellt – nur noch 23 % der Kinder waren bei Behandlungsende in der
klinisch auffälligen Gruppe. Nach Beendigung der dreimonatigen Intervention wurde die Placebogruppe
ebenfalls auf die Nahrungsergänzung umgestellt (einseitiges Crossover). Diese Crossover-Gruppe
verbesserte sich in den nachfolgenden 3 bis 6 Monaten ebenfalls hinsichtlich der Verhaltensauffälligkeiten
und der Lese- und Rechtschreibleistung.
Abbildung 2 (nicht in dieser Version) zeigt die Ergebnisse der Studie auf dem ADHS-Index nach DSM-IV
der Conners-Skala in der ersten Phase (randomisierte Parallelgruppe: Verum versus Placebo) und in der
zweiten Phase mit einseitigem Crossover der Placobogruppe in Verum. Diese Studie ist - sowohl was die
methodische Durchführung als auch die Ergebnisse betrifft - recht beeindruckend. In einer Gruppe von
Kindern mit Koordinationsstörungen und deutlichen ADHS-Symptomen sowie überwiegend geringen
Lese- und Rechtschreibfähigkeiten lässt sich die ADHS-Symptomatik nach dem Urteil der Lehrer durch
die Kombination von Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren deutlich vermindern. Die Effektstärken
entsprechen dabei gut der Hälfte jener Effekte, die üblicherweise mit Methylphenidat erreicht werden.
Allerdings wurde die Stichprobe systematisch über Schulen gewonnen, sie stellt also keine klinische
Inanspruchnahme-Stichprobe dar und es wurden keine formalen Diagnosen auf der Basis von DSM-IV
ermittelt. Die Beurteilungen der Kinder durch die Lehrer zeigen jedoch, dass die Kinder mehrheitlich eine
überdurchschnittlich ausgeprägte ADHS-Symptomatik hatten. Ein weiterer Nachteil der Studie sind
fehlende Beurteilungen durch die Eltern.

Schlussfolgerungen
Insgesamt sind die Ergebnisse der vorliegenden Studien zur Wirksamkeit von mehrfach ungesättigten
Fettsäuren uneinheitlich. Nimmt man die neueste Studie von Richardson & Montgomery (2006) mit in eine
Gesamtbewertung auf, so kann sich ein vorsichtiger Optimismus einstellen, der sich jedoch erst nach
weiteren positiven Studien (die auch von anderen Studiengruppen durchgeführt werden müssten) in eine
Behandlungsempfehlung verwandeln kann. Vor allem fehlen Studien an klinischen Gruppen mit
diagnostizierter ADHS. Wenn Effekte vorliegen, dann scheinen sie unter denen von Methylphenidat
zu liegen und die Effekte lassen sich erst nach etwa 3 Monaten belegen. Für Patienten mit ausgeprägter
ADHSSymptomatik, bei denen ein dringender Interventionsbedarf vorliegt, kann nach dem gegenwärtigen
Stand der Forschung eine Nahrungssupplementierung nicht empfohlen werden, da notwendige
pharmakologische oder verhaltenstherapeutische Intervention nicht zu Gunsten des fraglichen Erfolges
einer Ernährungstherapie hinausgezögert werden können. Eine Anwendung bei weniger stark
ausgeprägter Symptomatik und eventuell auch im subklinischen Bereich ist vorstellbar. Wie bei allen
Therapien sollten jedoch auch hier die individuellen Effekte genau geprüft werden; da bei dieser
Therapieform insgesamt von eher geringeren Effekten auszugehen ist, sind solche individuellen
Prüfungen noch wichtiger. Die vorliegenden Studien zur Wirksamkeit mehrfach ungesättigter
Fettsäuren als ergänzende Therapie bei Patienten, die bereits erfolgreich auf Pharmakotherapie
eingestellt sind (und eventuell noch eine Restsymptomatik aufweisen), lassen kaum Hoffnung auf
zusätzliche Effekte aufkommen, wobei die methodische Qualität dieser Studien auch sehr begrenzt ist.
Bei Patienten, die ausgeprägt auf Pharmakotherapie respondieren, ist es jedoch prinzipiell schwer,
zusätzliche Effekte von alternativen Therapien, auch beispielsweise von Verhaltenstherapie, zu belegen.
Interessanter wären Studien an solchen Patientengruppen, die nicht oder nur in geringem Maße von
Pharmakotherapie profitieren. Eine Kombination von Ernährungstherapien mit Verhaltenstherapie könnte
interessant sein, es liegen dazu jedoch noch keine Studien vor. Beim gegenwärtigen Stand der
Erkenntnisse ist eine direkte Kombination von Ernährungstherapie mit anderen Therapieformen
wenig zu empfehlen, da bei paralleler Anwendung die Wirksamkeit der einzelnen Therapien nicht geprüft
und so nicht erkannt werden kann, wenn eine Therapiekomponente überflüssig ist. Prinzipiell sind
sequenzielle, zeitlich versetzte Kombinationen hilfreicher, weil dann auch die Effekte der einzelnen
Therapien eher abzuschätzen sind.

Literatur
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Diagnostik 24B
Das Kinder-Diagnostik-System (KIDS): ADHS
Hans-Christoph Steinhausen und Manfred Döpfner

Das Kinder-Diagnostik-System (KIDS) hat sich zum Ziel gesetzt, in einzelnen Bänden diagnostische
Methoden zur Erfassung psychischer Störungen zusammenzufassen und zu integrieren. Neben
störungsübergreifenden Verfahren (Breitbandverfahren), die ein breites Spektrum psychischer
Auffälligkeiten abdecken, werden Diagnosen generierende Checklisten und Interviews dargestellt, die das
klinische Urteil erfassen und die auf der Grundlage der Klassifikationssysteme von ICD-10 und DSM-IV
entwickelt wurden. Explorationsschemata und spezifische Beurteilungssysteme dienen der weiteren
differenzierten Erfassung umschriebener Störungen. Störungsspezifische Fragebogenverfahren
sollen ein differenziertes Bild einzelner Störungen liefern. Sie können sich eng an die
Klassifikationssysteme anlehnen; müssen sich aber nicht zwangsläufig auf die Diagnosekriterien
beziehen, sondern können in differenzierter Weise einzelne Störungsbilder oder Aspekte dieser
Störungsbilder erfassen. Der erste Band des Kinder-Diagnostik-Systems stellt die Verfahren für
Aufmerksamkeitsdefizit- und Hyperaktivitätsstörungen zusammen (Döpfner et al., 2006). Teilweise
sind die Verfahren als Kopiervorlagen im Band abgedruckt. Abbildung 3 gibt eine Übersicht über die
Diagnostik von Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und die im Kinder-Diagnostik-
System zusammengefassten Verfahren. Ausgangspunkte für die Einleitung einer diagnostischen
Untersuchung sind Hinweise auf das Vorliegen einer ADHS. Der Untersucher erhält solche Hinweise
aufgrund der spontan berichteten Probleme des Patienten oder aus einer systematischen allgemeinen
diagnostischen Untersuchung auf psychische Störungen.
In einem ersten Schritt kann der Untersucher ein schnelles ADHS-Screening durchführen. Dazu eignet
sich der Screening-Bogen für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS-Bogen), mit dem
anhand von wenigen Fragen der Hinweis auf Vorliegen einer ADHS erhärtet werden kann.
Die Eingangsdiagnostik stützt sich erstens auf eine ausführliche klinische Exploration des Patienten und
vor allem seiner Bezugspersonen und auf eine klinische Beurteilung der so gewonnenen Informationen
sowie zweitens auf Fragebogenverfahren, in denen die Beurteilungen von Eltern, Erziehern oder Lehrern
und auch die Einschätzung des Patienten selbst (etwa ab dem Alter von 10 Jahren) erhoben werden. Für
die klinische Exploration können das halbstrukturierte Explorationsschema für Hyperkinetische
und Oppositionelle Verhaltensstörungen (ES-HOV)
oder der entsprechende Elternfragebogen für
hyperkinetische und oppositionelle Verhaltensprobleme (EF-HOV)
herangezogen werden. Alternativ kann
das umfangreichere und höher strukturierte ADHS-Elterninterview durchgeführt werden. Die klinische
Diagnose erfolgt anhand der Diagnose-Checkliste für Hyperkinetische Störungen bzw. für
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (DCL-HKS; DCL-ADHS).
Bei den standardisierten
Fragebogenverfahren eignen sich vor allem der Fremdbeurteilungsbogen für Hyperkinetische Störungen
(FBB-HKS) bzw. für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (FBB-ADHS),
der von Eltern und
von Lehrern bzw. Erziehern beantwortet werden kann und die Symptome von ADHS entsprechend den
Kriterien von ICD-10 und DSM-IV erfasst. Ab dem Alter von 10 Jahren kann auch das Urteil des Patienten
selbst anhand des Selbstbeurteilungsbogens für Hyperkinetische Störungen (SBB-HKS) bzw. für
Aufmerksamkeitsdefizit- / Hyperaktivitätsstörungen (SBB-ADHS)
erhoben werden. Die Eingangsdiagnostik
sowie weitere ergänzende Verfahren ermöglichen die Diagnose einer ADHS (siehe Abb. 3). In
Abhängigkeit von den geplanten therapeutischen Schritten sind dann meist weitere diagnostische
Verfahren indiziert.
Zur Durchführung von Psychoedukation, Beratung und Verhaltenstherapie sind das Elterninterview
über Problemsituationen in der Familie (EI-PF)
mit dem dazu parallelen Elternfragebogen über
Problemsituationen in der Familie (EF-PF)
hilfreich, weil diese Instrumente differenziertere
Informationen über spezifische Probleme in umschriebenen familiären Situationen liefern. Der
Fragebogen über Verhaltensprobleme bei den Hausaufgaben (FVH) beschreibt die in
Hausaufgabensituationen auftretenden spezifischen Verhaltensprobleme. Zur differenzierten
Beurteilung des Verhaltens im Unterricht kann der Fragebogen zur Verhaltensbeurteilung im Unterricht
(FVU)
herangezogen werden.
Zur weitergehenden Diagnostik für eine medikamentöse Therapie dienen die halbstrukturierte
Checkliste zur organischen Abklärung und medikamentösen Therapie von Aufmerksamkeitsdefizit-
/Hyperaktivitätsstörungen (CM-ADHS), sowie der Fragebogen über mögliche Nebenwirkungen von
Medikamenten (NW-ADHS)
und der Beurteilungsbogen zur Austestung medikamentöser Therapie bei
ADHS (BM-ADHS).
Die beiden ADHS-Tagesprofilbögen für Eltern (ADHS-TAP-Eltern) und für Lehrer
(ADHS-TAP-Lehrer) können ebenfalls bei der medikamentösen Austestung und Dosisanpassung
eingesetzt werden und sind besonders hilfreich bei der Überprüfung der Wirkdauer medikamentöser
Therapie.
In Abbildung 2 sind keine Verfahren für spezifische Altersgruppen aufgeführt, die ebenfalls in diesem
Band enthalten sind. Für Vorschulkinder liegt der Fremdbeurteilungsbogen für Vorschulkinder mit
Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörungen (FBB-ADHS-V)
vor, in dem die Diagnosekriterien nach
ICD-10 bzw. DSM-IV für Vorschulkinder adaptiert erhoben werden. Da Aufmerksamkeitsdefizit-/
Hyperaktivitätsstörungen bei Erwachsenen zunehmend in den Fokus des Interesses rücken, sind in
diesem Band auch Verfahren zur Erfassung der Symptomatik im Erwachsenenalter aufgenommen
worden. Die Diagnose einer ADHS im Erwachsenenalter setzt voraus, dass die Problematik bereits im
Kindesalter aufgetreten ist und auch aktuell die Diagnosekriterien erfüllt sind. Dabei ist es hilfreich,
nicht nur das Selbsturteil des Patienten, sondern auch die Fremdeinschätzung von Bezugspersonen zu
erfassen. Dies wird in vier Fragebogen zur Erfassung von ADHS im Erwachsenenalter (FEA) erfasst,
welche die aktuellen und die früheren (im Kindesalter aufgetretenen) Probleme in der Selbsteinschätzung
(FEA-ASB, FEA-FSB) und in der Fremdeinschätzung (FEA-AFB, FEA-FFB) erheben. Zwei weitere
Verfahren zur Erfassung von ADHS-Symptomatik sind die Selbstbeurteilungs-Skala zur Diagnostik der
Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung im Erwachsenenalter (ADHS-SB)
, die dem ADHS-E/AS
sehr ähnlich ist und ebenfalls die Symptomkriterien von ADHS erhebt.
Zur Verlaufskontrolle der Symptomatik während der Behandlung können verschiedene Verfahren der
Eingangsdiagnostik eingesetzt werden (siehe Abb. 1), z.B. der ADHS-Bogen oder auch der
Fremdbeurteilungsbogen für Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (FBBADHS). Spezifische
Verfahren zur Verlaufskontrolle, die auch eine Überprüfung der Veränderung individueller Probleme
zulässt, sind die ADHS-Klinische Gesamteinschätzung (ADHS-KGE), der Problembogen, der Zielbogen
und für Kinder der Detektivbogen. Eine Verlaufskontrolle ist auch im entsprechenden Bereich des
Explorationsschemas ES-HOV möglich. Bei medikamentöser Therapie können zusätzlich der Fragebogen
über mögliche Nebenwirkungen von Medikamenten (NW-ADHS)
und der Bereich Verlaufskontrolle in der
Checkliste zur medikamentösen Therapie (CM-ADHS) Anwendung finden.
Therapie 24C
Kardiale Risiken bei Pharmakotherapie
Gerd Lehmkuhl, Manfred Döpfner & Klaus Skrodzki

In den letzten Monaten wurden in verschiedenen Medien (z.B. Die Süddeutsche Zeitung 11.02. 06;
Deutsches Ärzteblatt vom 10.2.2006: news/newsdruck.asp?id=23086) über
kardiovaskuläre Risiken der Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS mit Amphetamin,
Dextroamphetamin oder Methylphenidat berichtet. Ein Beratergremium der US-Zulassungsbehörde
(FDA) beschloss am 9.2.2006 der FDA zu empfehlen, dass den Psychostimulanzienpräparaten
schriftliche Warnungen (black box warning) beizulegen seien, dass diese Medikationen das Risiko für
Schlaganfall, Herzinfarkt und schwerwiegende kardiale Arrhythmien bei Kindern, Jugendlichen und
Erwachsenen erhöhen können Dieses mögliche Risiko hat eine vorläufige Durchsicht von 22 Millionen
Gesundheitsakten ergeben. Dabei sind 25 plötzliche unerklärte Todesfälle bei Patienten aufgetreten, die
Psychostimulanzien einnahmen. Davon waren 18 Patienten mit Amphetaminsalzen behandelt worden, 8
mit Methylphenidat (eine Doppelgabe).Von den 19 Kindern und Jugendlichen erhielten 12 Jungen (im
Alter von über 5 Jahren) Amphetamine und 7 Kinder Methylphenidat (3 retardiertes und 4 unretardiertes
Methylphenidat). Komedikationen wurden nicht systematisch erfasst und diskutiert. Da in den USA
mittlerweile 2,5 Millionen Kinder und 1,5 Millionen Erwachsene regelmäßig ADHS-Medikamente
einnehmen – jährlich werden mehr als 30 Millionen Rezepte ausgestellt – stufte die US-Behörde das
Risiko als gering ein. Doch die Gruppe der eingeladenen Sachverständigen, überwiegend Kardiologen,
kamen zu einer anderen Bewertung. Mit 15 gegen 0 Stimmen bei einer Enthaltung wurde die FDA
aufgefordert, einen „medication guide“ verfügbar zu machen. Es handelt sich dabei um ein kürzlich von
der FDA neu eingeführtes Informationsmaterial, das den Packungen neben dem Beipackzettel beigelegt
oder von Apotheker abgegeben wird. Weiterhin sprachen sich die Experten mit 8 gegen 7 Stimmen bei
einer Enthaltung für eine „black-box“-Warnung aller Medikamente aus, die für die Behandlung mit ADHS
zugelassen sind. Dieser Warnhinweis zu Beginn der Fachinformation wird von der FDA in der Regel nur
bei schwerwiegenden Risiken verlangt. Die Kommission Entwicklungspsychopharmakologie der
deutschen kinder- und jugendpsychiatrischen Fachgesellschaften weist in ihrer Stellungnahme vom
2.3.2006darauf hin dass die Rate der plötzlichen
unerklärten Todesfälle bei Kindern und Jugendlichen, die mit Psychostimulanzien behandelt wurden, nie
die Prävalenz von 1: 1.000000 überschritt. Diese Rate ist somit niedriger als in der Allgemeinbevölkerung.
Plizska (2005) stellt in einer Übersicht zu Methylphenidat Ereignisraten von 0,19 plötzlichen Todesfällen
auf 100.000 Patientenjahren fest, im Vergleich zu 1,3 – 8,5 : 100.000 Patientenjahre in unausgelesenen,
altersgemischten Stichproben. Am 22.3.06 entschied das Beratungsgremium der FDA, dass eine black
box warning wegen kardiologischer Risiken nicht notwendig ist (com/FDC/AdvisoryCommittee/TOC.htm). In der Begründung dieser Entscheidung erklärt die Kommission,
dass kardiovaskuläre Risiken bei Kindern mit ADHS nicht so hoch seien, wie das bei Erwachsenen der
Fall sei, ausgenommen bei Kindern mit kardiovaskulären Auffälligkeiten. Die bereits bestehenden
Warnhinweise in den Fachinformationen für Amphetamine sollten auf alle zugelassenen Medikamente zur
Behandlung von ADHS ausgedehnt werden. Außerdem empfahl auch diese Kommission, einen
medication guide zu entwickeln, in dem die Risiken zur Entwicklung von psychischen Störungen,
Aggressivität und kardiovaskulären Problemen beschrieben werden. Sowohl die Warnhinweise in den
Fachinformationen als auch die Informationen in dem medication guide sollten auf alle Medikamente zur
Behandlung von ADHS, einschließlich Strattera (Atomoxetin), Adderall (Amphetamin) und Methylphenidat-
Produkte wie Concerta oder Ritalin bezogen sein.

Empfehlungen der Fachgesellschaften und Leitlinienkommissionen
Die amerikanische Fachgesellschaft (AACAP) empfiehlt, Kinder vor einer Behandlung mit
Psychostimulanzien körperlich zu untersuchen. Eine Blutdruck- und Pulsmessung sowie eine gründliche
Anamneseerhebung, die explizit nach körperlicher Belastbarkeit fragt, nach Episoden von Müdigkeit und
Erschöpfung oder Brustschmerzen unter Belastung wird ausdrücklich angeraten. Ebenfalls soll die
Familienanamnese nach plötzlich ungeklärten Todesfällen, Herzerkrankungen oder eigenen
Herzerkrankungen des Patienten erfragt werden. Erst wenn eine anamnestische Angabe diesbezüglich
positiv ist, soll die Überweisung zu einem Kinderkardiologen erfolgen. Die bislang gültigen Leitlinien der
deutschen kinderpsychiatrischen Fachgesellschaften zur Behandlung von hyperkinetischen Störungen
(Döpfner & Lehmkuhl, 2003) empfehlen vor Beginn einer Therapie mit Psychostimulanzien eine
sorgfältige kinder- und jugendpsychiatrische sowie eine internistische und neurologische Untersuchung.
Blutdruck und Puls sollten kontrolliert werden. Im Verlauf sollten auch Körpergröße und Gewicht erfasst
werden. In der in diesem Jahr noch erscheinenden überarbeiteten Version wird vermutlich ein spezifischer
Hinweis entsprechend den genannten Empfehlungen der amerikanischen Fachgesellschaft für Kinder-
und Jugendpsychiatrie aufgenommen werden. Vergleichbare Empfehlungen gibt die Arbeitsgemeinschaft
Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung der Kinder- und Jugendärzte in ihrer Stellungnahme zu
fraglichen kardiovaskulären Risikofaktoren unter der Behandlung mit Stimulanzien.
de): Grundsätzlich sollte bei jedem Patienten Größe, Gewicht, RR und Herzfrequenz initial und im Verlauf
regelmäßig kontrolliert werden und eine sorgfältige körperliche und neurologische Untersuchung erfolgen,
wie es auch in der Leitlinie der deutschen Gesellschaft für Kinder und Jugendmedizin
(Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V. & Deutsche Gesellschaft für
Kinderheilkunde und Jugendmedizin, 2003) empfohlen wird. Die Empfehlungen einer europäischen
Leitliniengruppe zur Diagnostik und Therapie von hyperkinetischen Störungen (Taylor et al., 2002) und die
im Druck befindlichen Empfehlungen dieser Gruppe zur medikamentösen Therapie mit länger wirksamen
Präparaten machen vergleichbare Aussagen. Die Mitglieder der Kommission
Entwicklungspsychopharmakologie der kinder- und jugendpsychiatrischen Fachverbände empfehlen, bei
jedem mit Stimulanzien behandelten Patienten, auch bei negativen Anamneseangaben, ein EEG und
EKG durchzuführen. Ebenfalls sollten Laboruntersuchungen von Blutbild, Transaminasen, Bilirubin
und Kreatinin erfolgen. Bei komplikationsloser Therapie in jährlichen Abständen routinemäßig EKG- und
RR-Kontrollen.
Eine solche weitgehende Empfehlung ist bislang weder national noch international von einer
Leitliniengruppe aufgenommen worden und die zu diesem Thema geführten Diskussionen sprechen auch
nicht dafür, dass eine solche Empfehlungen in die gerade in Überarbeitung befindlichen deutschen
Leitlinien der Fachgesellschaften für Kinder- und Jugendmedizin und für Kinder-und Jugendpsychiatrie
und Psychotherapie aufgenommen werden. Die Stellungnahme der Bundesärztekammer zur
Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS). (Kurzfassung: Bundesärztekammer, 2005;
Langfassung: geht auf die kardialen
Wirkungen bei Methylphenidat oder Amphetamin nicht ein und bezüglich der EEG-Kontrolle empfiehlt die
Expertenkommission der Bundesärztekammer die Ableitung eines EEGs, wenn es Hinweise auf mögliche
Anfallsäquivalente oder eine familiäre Epilepsiebelastung gibt.

Schlussfolgerung
Es gibt bislang keine Hinweise auf eindeutig erhöhte kardiale Risiken bei der medikamentösen
Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit ADHS mit Psychostimulanzien (Methylphenidat,
Amphetamin) oder mit Atomoxetin. Bei Kindern mit Hinweisen auf kardiale Beeinträchtigungen
(Anamnese, körperliche Untersuchung) werden die Empfehlungen der amerikanischen Fachgesellschaft
für Kinder- und Jugendpsychiatrie als besonders hilfreich erachtet. Vor einer medikamentösen
Behandlung sollten Kinder und Jugendliche mit ADHS körperlich untersucht werden, einschließlich
Blutdruck- und Pulsmessung, sowie einer gründlichen Anamnese erhoben werden, die explizit
nach körperlicher Belastbarkeit fragt, nach Episoden von Müdigkeit und Erschöpfung oder
Brustschmerzen unter Belastung, Herzerkrankungen des Patienten. In der Familienanamnese sollten
plötzliche und ungeklärte Todesfälle, Herzerkrankungen erfragt werden. Erst wenn Hinweiszeichen auf ein
kardiales Risiko vorliegen, sollten weitergehende Untersuchungen bzw. eine Überweisung zu einem
Kinderkardiologen erfolgen.
Literatur
Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V., Deutsche Gesellschaft für Kinderheilkunde und Jugendmedizin
(2003): Leitlinien Kinderheilkunde und Jugendmedizin – R7 Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitätsstörung (ADHS) [erstellt von:
Grosse KP, Skrodzki K, 2001]. München: Urban & Fischer.
Arbeitsgemeinschaft ADHS der Kinder- und Jugendärzte e.V., Stellungnahme zu fraglichen kardiovaskulären Risikofaktoren unter
der Behandlung mit Stimulanzien, . php von Skrodzki K; Gromball J; 2006
Bundesärztekammer. (2005a). Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – Kurzfassung.
Deutsches Ärzteblatt, 102, A 3609 - A 3616.
Bundesärztekammer (2005b). Stellungnahme zur „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) – Langfassung, von

Döpfner, M., & Lehmkuhl, G. (2003). Hyperkinetische Störungen (F90). In Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendpsychiatrie
und Psychotherapie, Berufsverband der Ärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie in Deutschland &
Bundesarbeitsgemeinschaft der leitenden Klinikärzte für Kinder- und Jugendpsychiatrie und Psychotherapie (Hrsg.), Leitlinien zur
Diagnostik und Therapie von psychischen Störungen im Säuglings-, Kindes- und Jugendalter (2. Aufl., S. 237-249). Köln: Deutscher
Ärzte Verlag.
Taylor, E., Döpfner, M., Sergeant, J., Asherson, P., Banaschewski, T., Buitelaar, J., Coghill, D., Danckaerts, M., Rothenberger, A.,
Sonuga Barke, E., Steinhausen, H.-C., & Zuddas, A. (2004). Clinical guidelines for hyperkinetic disorder- first upgrade. European
Child & Adolescent Psychiatry, 13, supplement 1, I/7 - I/30
Für Sie gelesen: 24D
Richardson, A. J. & Montgomery, P. (2005)
The Oxford-Durham study: a randomized, controlled trial of dietary
supplementation with fatty acids in children with developmental coordination
disorder
Pediatrics, 115, 1360-1366

Zusammenfassung
Die Studie wurde in dieser Ausgabe des ADHS-Report bereits vorgestellt. Daher an dieser Stelle das
englische Original-abstract:
Background. Developmental coordination disorder (DCD) affects 5% of school-aged children. In addition
to the core deficits in motor function, this condition is associated commonly with difficulties in learning,
behavior, and psychosocial adjustment that persist into adulthood. Mounting evidence suggests that a relative lack of certain polyunsaturated fatty acids may contribute to related neurodevelopmental and psychiatric disorders such as dyslexia and attention-deficit/hyperactivity disorder. Given the current lack of effective, evidence-based treatment options for DCD, the use of fatty acid supplements merits investigation. Methods. A randomized, controlled trial of dietary supplementation with -3 and -6 fatty acids, compared with placebo, was conducted with 117 children with DCD (5–12 years of age). Treatment for 3 months in parallel groups was followed by a 1-way crossover from placebo to active treatment for an additional 3 months. Results. No effect of treatment on motor skills was apparent, but significant improvements for active treatment versus placebo were found in reading, spelling, and behavior over 3 months of treatment in parallel groups. After the crossover, similar changes were seen in the placebo-active group, whereas children continuing with active treatment maintained or improved their progress. Conclusions. Fatty acid supplementation may offer a safe efficacious treatment option for educational and behavioral problems among children with DCD. Additional work is needed to investigate whether our inability to detect any improvement in motor skills reflects the measures used and to assess the durability of treatment effects on behavior and academic progress. Kommentar: Diese neueste, methodisch sehr sauber durchgeführte Studie stellt den bisher stärksten Beleg für die Wirksamkeit mehrfach ungesättigter Fettsäuren bei der Verminderung von ADHS-Symptomen dar. Die Hauptschwäche der Studie ist die Tatsache, dass es sich nicht um eine klinische Inanspruchnahmestichprobe handelt und die Diagnose ADHS nicht überprüft worden ist, sondern dass die Stichprobe sich aus Kindern mit motorischen Koordinationsproblemen, meist auch Lese- und Rechtschreibschwierigkeiten und deutlich erhöhter ADHS-Symptomatik nach Einschätzung der Lehrer zusammensetzt, die über Schulen für diese Studie rekrutiert wurden. Außerdem wurden die Effekte auf das Verhalten ausschließlich nach dem Urteil der Lehrer überprüft und das Elternurteil wurde nicht einbezogen. Dennoch gibt diese Studie Anlass zu einem vorsichtigen Optimismus, was die Behandlung von ADHS mit mehrfach ungesättigten Fettsäuren betrifft. Allerdings sind weitere Studien nötig, um eine eindeutige Behandlungsempfehlung auszusprechen.

Source: http://www.concentrix.eu/download/fachliteraur/ADHS%20Report%2024_Mai%202006.pdf

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