Therapie des alkoholentzugssyndroms

Therapie des Alkoholentzugssyndroms (UP. Masche). 77
Konvulsionen -- Delirium tremens -- Alkoholhalluzinose -- Nicht-medikamentöse Massnahmen -- Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr -- Vitamine -- Benzodiazepine -- Clomethiazol -- Barbiturate --Carbamazepin -- Clonidin -- Antiepileptika -- Neuroleptika -- Betablocker Übersicht
Werden solche Entzugserscheinungen nicht mit einer er-neuten Alkoholeinnahme unterdrückt, erreichen sie nach1 bis 2 Tagen ein Maximum und klingen nach 5 bis 7 Tagenab. In etwa 5% der Fälle wird dieser relativ harmlose Therapie des Alkoholent-
Ablauf durch ernsthafte Komplikationen gestört: Es kön- zugssyndroms
nen epileptische Anfälle auftreten (zu 90% während derersten beiden Tage). In der Regel sind es einzelne Grand- mal-Anfälle, ein Status epilepticus ist sehr selten. FokaleAnfälle gelten als atypisch und sollten an andere Ursachen Manuskript durchgesehen von B. Bischof, H.U. Fisch, D. La mahnen (z.B. begleitendes Schädel-Hirn-Trauma). Ein Delirium tremens tritt 2 bis 3 Tage nach der letzten Alko-holeinnahme auf und ist von Desorientiertheit, szenenhaf- Alkohol induziert im Gehirn schon nach einer einmaligen ten Halluzinationen und Illusionen sowie einer starken Dosis Gegenregulationsmechanismen: Bei demselben Hyperaktivität des autonomen Nervensystems mit massi- Blutalkoholspiegel sind die Alkoholwirkungen während vem Schwitzen geprägt. Die Letalität beträgt heute noch des Konzentrationsanstiegs stärker als während des -ab- rund 1%, mögliche Todesursachen sind Kreislaufversagen falls,1 das heisst, es entwickelt sich rasch eine pharmako- (Exsikkose!) und Hyperthermie. Weiter muss man mit dynamische Toleranz. Chronischer Alkoholabusus führt einer Alkoholhalluzinose rechnen. Dieses eigenständige zur physischen Abhängigkeit, weil die zentralen Gegenre- Krankheitsbild ist allerdings nicht an einen Entzug gebun- gulationsmechanismen körperliche Entzugserscheinun- den, es kann auch mitten in einer Trinkperiode auftreten.
gen hervorrufen, wenn der Blutalkoholspiegel unter eine Charakteristisch sind vorwiegend akustische Halluzina- individuelle kritische Schwelle sinkt. Bei wem und in wel- tionen (an den Patienten gerichtete Vorwürfe oder Dro- cher Ausprägung sich Abstinenzsymptome manifestieren, lässt sich im Einzelfall schwer voraussehen. Als Faustregelgilt, dass Entzugserscheinungen um so deutlicher auftre- Grundsätzliche Überlegungen zur Therapie
ten werden, je höher die tägliche Alkoholdosis gewesen ist Bei einem Patienten mit Abstinenzsymptomen ist es wich- oder je länger der Beginn des regelmässigen Trinkens tig, zu wissen, wie eventuelle frühere Entzüge verlaufen zurückliegt; als gefährdet werden insbesondere Personen sind und ob noch andere Substanzen mit Suchtpotential betrachtet, die während 5 oder mehr Jahren täglich 100 g (z.B. Benzodiazepine) regelmässig eingenommen werden.
Alkohol (etwa einem Liter Wein entsprechend) getrunken Indikationen für eine Hospitalisierung sind bekannte Komplikationen während eines vorangegangenen Ent- Viele Alkoholentzüge verlaufen ungeplant, weil ein Unfall zugs (Konvulsionen, Delir), somatische Begleiterkran- oder eine Erkrankung den Alkoholiker am Trinken hin- kungen, ein unmotivierter Patient oder ein ungünstiges dern. Die ersten Symptome eines Alkoholentzugssyn- soziales Umfeld.3 Eine Polytoxikomanie überfordert wohl droms sind Übelkeit, Erbrechen, Gesichtserythem, ein ebenfalls die ambulanten Möglichkeiten. Einen Alkoho- erhöhter Sympathikotonus (Tremor, Schwitzen, leichter liker ambulant zu entgiften, stellt an alle hohe Anforde- Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck), Schlaflosig- rungen. Der Arzt muss auf die Unterstützung einer dem keit, Angst sowie Verstimmtheit. Bewusstseinstrübungen Patienten nahestehenden Person zählen können und den sind bei leichten Entzugssyndromen nicht vorhanden.
Zustand des Patienten täglich neu beurteilen; der Einsatz überbrückender Medikamente und die anschliessende Re- flussen nur einzelne Abstinenzerscheinungen (Neurolep- habilitation (Mithilfe von Fürsorgern; «Anonyme Alko- holiker») sind klar zu regeln, damit keine neuen Abhän- Ein Entzug mit Alkohol selbst ist nicht zu empfehlen.
gigkeiten entstehen. Im Zweifelsfall soll immer der Erstens wäre es psychologisch ungeschickt, wenn der Al- stationären Behandlung der Vorzug gegeben werden.
koholiker merkte, dass sich seine Entzugserscheinungen Nicht-medikamentöse Massnahmen spielen bei jedem kör- offenbar doch nur mit Alkohol beheben lassen, und zwei- perlichen Entzug eine wichtige Rolle. Eine ruhige, nicht tens müsste Alkohol wegen seiner kurzen Halbwertszeit bedrohende Atmosphäre und eine aufmerksame Pflege und der geringen therapeutischen Breite mit höchster sollen dem Patienten helfen, den Realitätsbezug aufrecht- zuerhalten.4 1024 Alkoholiker, die allerdings nicht näherbeschrieben sind, wurden ohne Medikamente mit bemer- kenswertem Erfolg behandelt: Bei 38 (3,7%) entwickelten In den USA werden bei Alkoholentgiftungen fast nur sich Halluzinosen, bei 12 (1,2%) Konvulsionen und bei Benzodiazepine benutzt, unter anderem weil dort Clome- einem (0,1%) ein Delir.5 In einer placebokontrollierten thiazol nicht zur Verfügung steht. In einer zehntägigen Doppelblindstudie wurde geprüft, ob Lorazepam (Te- Doppelblindstudie erhielten 537 Alkoholiker am ersten mesta®, Gesamtdosis 6 mg) den Verlauf eines milden Al- Behandlungstag alle 6 Stunden entweder 50 mg Chlordia- koholentzugssyndroms verändert. Bei den 21 mit Loraze- zepoxid (Librium®) oder 100 mg Chlorpromazin (z.B.
pam Behandelten wurde das Ergebnis in einem Fall, in der Largactil®) oder 100 mg Hydroxyzin (Atarax®) oder 100 Placebogruppe bei 3 von 20 Patienten als unbefriedigend mg Vitamin B1 oder Placebo; die Dosen wurden in den bezeichnet, und mit Lorazepam trat die Zustandsverbes- folgenden Tagen sukzessive herabgesetzt. Unter allen fünf serung etwas rascher ein.6 Demzufolge können die meisten Therapien besserte sich der Zustand der meisten Patienten Alkoholiker mit leichteren Abstinenzsyndromen auch oh- rasch; Delirien oder Konvulsionen traten aber eindeutig ne Medikamente betreut werden. Andererseits mindern am wenigsten unter Chlordiazepoxid (bei 2 von 103 Pati- Medikamente die unangenehmen Symptome und beugen enten), am häufigsten unter Chlorpromazin (bei 16 von -- ein wichtiges Argument -- ziemlich zuverlässig Kompli- Prinzipiell lassen sich alle Benzodiazepine zur Therapie Viele Alkoholiker sind fehl- oder mangelernährt, der Ele- des Alkoholentzugssyndroms verwenden; am häufigsten ktrolythaushalt kann gestört sein (vor allem Kalium- und sind bisher Chlordiazepoxid (Librium®), Diazepam (z.B.
Magnesiummangel); bei leichteren Entzugssyndromen Valium®), Lorazepam (Temesta®) und Oxazepam (z.B.
kommen sowohl Volumenüberschuss wie -mangel vor, Seresta®) eingesetzt worden. Je 25 Alkoholiker erhielten beim Delir steht die Exsikkose im Vordergrund. Ausser in einer Doppelblindstudie Diazepam (20 mg peroral) beim deliranten Patienten, bei dem die Flüssigkeits- und oder Placebo. Die Tablettengabe wurde alle 1 bis 2 Stun- Elektrolytzufuhr eine entscheidende Massnahme ist, exi- den (höchstens fünfmal) wiederholt, bis der Patient se- stieren keine allgemeinen Regeln, was man in welcher diert war oder sich sein Zustand gebessert hatte. 7 Patien- Menge ersetzen muss. Vielmehr sollen Abweichungen ten aus der Diazepam- und 11 aus der Placebogruppe jeweils individuell korrigiert werden. Dies gilt auch für sprachen auf diese primäre Therapie nicht an; sie wurden Vitamine: so ist es nicht belegt, dass Multivitaminpräpara- alle mit Diazepam (20 mg alle 1 bis 2 Std.) weiterbehan- te, die prophylaktisch gegeben werden, den Verlauf des delt. Komplikationen (Konvulsionen, Halluzinationen) Entzugssyndroms günstig beeinflussen.7 Einzige Ausnah- traten nur in der Placebogruppe bei 6 Patienten auf, davon me ist Vitamin B1 (Thiamin, Benerva®), von dem minde- bei zwei in der offenen Phase unter Diazepam. Bei 50% stens einmal 100 mg parenteral verabreicht werden soll- aller Patienten reichte eine Gesamtdosis von 60 mg Dia- ten, um einer Wernicke-Enzephalopathie vorzubeugen.
zepam, weitere 40% benötigten 60 bis 180 mg.9 Besonders wichtig ist dies vor einer alleinigen Zufuhr von Diazepam und Chlordiazepoxid sind Benzodiazepine mit Kohlenhydraten (z.B. Glukose-Infusion), weil bei deren einer langen Halbwertszeit. Ihre Wirkung bleibt nach ei- Abbau eventuell die letzten Vitamin-B1-Reserven ver- ner forcierten Aufsättigung («Loading») über Tage auf- rechterhalten, so dass sich weitere medikamentöse Mass-nahmen meist erübrigen. Diazepam wird besser resorbiert Medikamentöse Therapie
als Chlordiazepoxid und kann, sofern ausnahmsweise nö- Am meisten werden Benzodiazepine, Clomethiazol oder tig, auch parenteral verabreicht werden. Beide werden in Barbiturate verwendet. Wegen ähnlicher zentraler Wir- der Leber im ersten Abbauschritt oxydiert und kumulieren kungen können sie den Alkohol ersetzen (Kreuztoleranz), bei eingeschränkter Leberfunktion (Zirrhose, höheres Al- so dass sich damit praktisch alle Symptome eines Entzugs- ter) vermehrt, so dass ein Patient leicht übersediert und syndroms beherrschen lassen. Alle diese Substanzen sind den Risiken einer -- unnötig langen -- Bettlägerigkeit (Ve- selbst Suchtmittel und müssen deshalb während des Ent- nenthrombose, Pneumonie) ausgesetzt wird.10 Der hepa- zugs konsequent reduziert werden. Andere Medikamente tische Metabolismus von Lorazepam oder Oxazepam wird weisen zwar kein Abhängigkeitspotential auf, sind aber von Lebererkrankungen kaum betroffen, weil sie beim noch wenig erprobt (Carbamazepin, Clonidin) oder beein- Abbau nur glukuronidiert werden. Wegen der kürzerenHalbwertszeit genügt bei Lorazepam und Oxazepam die einmalige Aufsättigung nicht, so dass sie wiederholt ver- Gefahr, dass ein Alkoholiker in eine neue Abhängigkeit abreicht werden müssen: Zu Beginn erhält der Patient so gleite.16 Dass Barbiturate zur Therapie des Alkoholent- viel Lorazepam (bis zu viermal 2,5 mg/Tag) oder Oxaze- zugssyndroms sehr wirksam sind, konnte eine grosse Dop- pam (bis zu viermal 60 mg/Tag), bis er genügend sediert pelblindstudie zeigen: 109 Alkoholiker (davon 30 mit Zei- ist. Diese individuelle Anfangsdosis wird dann täglich um chen eines Delirs) wurden nach Bedarf mit Barbital etwa ein Viertel reduziert, wobei die Einzeldosis verklei- (Diäthylbarbitursäure, Veronal®, in der Schweiz nicht nert und nicht das Dosierungsintervall verlängert werden mehr im Handel) oder Diazepam (jeweils 20 mg intramus- sollte. Damit werden starke Blutspiegelschwankungen, kulär) behandelt. Bei den leichten bis mittelschweren Fäl- die immer wieder Entzugssymptome provozieren könn- len wirkte Diazepam minim besser, bei den deliranten Patienten aber fiel der Vergleich signifikant zugunsten vonBarbital aus.16 Trotzdem sind Zweifel berechtigt, ob man heute noch Barbiturate verwenden sollte, wenn mit den Clomethiazol (Distraneurin®, Hemineurine®) wirkt hyp- Benzodiazepinen anerkanntermassen weit sicherere Sub- notisch und antikonvulsiv, kann aber auch eine Atemde- pression hervorrufen. Es wird in Europa beim Alkoholent-zugssyndrom häufig verwendet sowie gelegentlich bei verwirrten geriatrischen Patienten als Schlafmittel einge- Bei 63 Alkoholikern verglich man doppelblind 6 Tage lang setzt. Die biologische Verfügbarkeit von Clomethiazol ist die Wirkung von Carbamazepin (z.B. Tegretol®, mittlere gering (man findet Angaben von 12 bis 42%). Der hepati- Gesamtdosis 1,5 g) und von Barbital (mittlere Gesamtdo- sche Metabolismus hängt von der Leberdurchblutung ab, sis 2,9 g). Alle Patienten bekamen zusätzlich Disulfiram so dass eine orale Dosis bei eingeschränkter Durchblutung (Antabus®) und Diphenhydramin (z.B. Benadryl®). Unter (z.B. Zirrhose) reduziert werden muss.11 Es sind ambulant Carbamazepin trat bei einem Patienten ein Grand-mal- betreute Alkoholiker beschrieben, die mit einer Clome- Anfall auf, unter Barbital bei einem ein Delir. Im übrigen thiazol-Überdosis Suizid begingen; dabei liess sich bei der fand sich zwischen Carbamazepin und Barbital kein nen- Obduktion in 2 Fällen kein Alkohol im Körper nachwei- sen, weshalb der Tod wahrscheinlich allein durch das Me- dikament verursacht wurde.12 Es wird allgemein vor demgrossen Abhängigkeitspotential gewarnt, das einen ambu- lanten Einsatz verbiete. Ob die Gefahr einer Abhängigkeit Clonidin (Catapresan®) ist ein zentral wirkender α2-Re- beim Alkoholiker aber höher ist als bei anderen Hypnoti- zeptoren-Agonist. Eine Stimulierung dieser Rezeptoren ka, lässt sich aufgrund der vorliegenden Daten nicht ent- vermindert die Aktivität noradrenerger Neuronen und somit den bei Entzugssyndromen erhöhten Sympathiko- In 2 Doppelblindstudien ist Clomethiazol mit Chlordia- tonus. Man nimmt an, dass Clonidin vor allem noradre- zepoxid, beide nach einem fixen Schema dosiert, vergli- nerge Neuronen im Locus coeruleus, einem Kern im Bo- chen worden. In der einen Studie (87 Patienten) ent- den des vierten Ventrikels, hemmt und dass im Locus wickelte sich unter Clomethiazol bei keinem, unter coeruleus endogene und exogene Reize («Stress») verar- Chlordiazepoxid bei 4 Behandelten ein Delir. Der Unter- beitet werden. In einer 60 Stunden dauernden Dop- schied ist nicht signifikant; zudem nahm eine grosse Zahl pelblindstudie erhielten 47 Alkoholiker mit milden bis der Patienten während der einwöchigen Therapie minde- mässigen Entzugssymptomen Clonidin (Gesamtdosis stens einmal wegen Schlaflosigkeit ein zusätzliches Hyp- 1,4 mg) oder Chlordiazepoxid (Gesamtdosis 350 mg); die notikum (Methaqualon) ein, was darauf hinweist, dass Tablettenzahl wurde vom zweiten bis zum vierten Tag von Clomethiazol und das Benzodiazepin falsch dosiert wur- drei auf eins reduziert. Man konnte zeigen, dass Clonidin den.13 In der anderen Studie (40 Patienten) wirkten Clo- mindestens so wirksam ist wie das Benzodiazepin.18 Clo- methiazol und Chlordiazepoxid auch bei schweren Ent- nidin senkt zusätzlich den beim Entzug oft erhöhten Blut- druck. Die Gefahr eines deutlichen Blutdruckanstiegs beim Aufgrund dieser Studien ist nicht einzusehen, weshalb Absetzen -- ein aus der Hypertoniebehandlung bekannter -- hierzulande noch gang und gäbe -- Clomethiazol beim unerwünschter Clonidin-Effekt -- scheint gering zu sein, Alkoholentzugssyndrom als Mittel der Wahl betrachtet wenn man die Substanz kurzfristig verwendet und die Behan- dlung nicht brüsk, sondern ausschleichend beendet.
Barbiturate werden seit Anfang dieses Jahrhunderts beim Den meisten der oben besprochenen Substanzen kommt Alkoholentzug benützt, sind aber fast vollständig ver- eine antikonvulsive Wirkung zu; im allgemeinen ist daher drängt worden. Vereinzelt werden sie noch empfohlen, so kein zusätzliches Antiepileptikum notwendig, um Kon- zum Beispiel -- bei milden bis mässigen Abstinenzsyndro- vulsionen zu verhüten. 20 Alkoholiker, die während eines men -- Phenobarbital (Luminal®) oder Tetrabamat (ein früheren Entzuges bereits Konvulsionen erlitten hatten Komplex aus drei Barbituraten, Atrium®).15 Die mittler- und deshalb besonders gefährdet waren, erhielten Diaze- weile geringe Verbreitung von Barbituraten verringere die pam (60 mg innerhalb der ersten 3 Stunden, anschliessend individuell dosiert). Bei keinem der Patienten entwickelte Clomethiazol oder Barbituraten. Bei einer gegebenen In- sich ein epileptischer Anfall.19 Hingegen darf eine antie- dikation kann die Therapie mit Neuroleptika, Betab- pileptische Therapie, die schon vor der Abstinenzphase lockern oder Antiepileptika ergänzt werden. bestanden hat, nicht unterbrochen werden. Die bisherigen Erfahrungen mit Carbamazepin und Clo- Falls während eines Entzugs dennoch Konvulsionen auf- nidin weisen darauf hin, dass diese beiden Substanzen die treten, werden sie wie andere Grand-mal-Anfälle behan- therapeutischen Möglichkeiten um einiges erweitern delt, zum Beispiel mit Benzodiazepinen, Phenytoin (Di- könnten; solange aber nicht unter kontrollierten Bedin- phenylhydantoin, z.B. Epanutin®) oder Carbamazepin. Da gungen geprüft worden ist, wie sich schwere Entzugssyn- entzugsbedingte Anfälle nicht Ausdruck eines chroni- drome mit Delirien behandeln lassen, kann ihr routine- schen Krampfleidens sind, kann diese antikonvulsive Be- mässiger Einsatz nicht empfohlen werden.
handlung nach wenigen Tagen wieder beendet werden. Allein verabreicht haben sich Neuroleptika in der Ent- 1 J.H. Mendelson und N.K. Mello: N. Engl. J. Med. 301: 912 1979 zugsbehandlung nicht bewährt. Wie oben bereits darge- 2 A. Foy: Aust. Prescr. 11: 71, 1988 legt, traten unter Chlorpromazin Delirien oder Krämpfe 3 H.C. Holloway et al.: Psychiatr. Clin. North Am. 7: 729, 1984 4 B. Adinoff et al.: Med. Toxicol. 3: 172, 1988 sogar häufiger auf als unter Placebo.8 Bei 15 deliranten 5 C.L. Whitfield et al.: JAMA 239: 1409, 1978 Patienten, die als einziges Mittel Haloperidol (z.B. Hal- 6 C.A. Naranjo et al.: Clin. Pharmacol. Ther. 34: 214, 1983 dol®, intravenös 20 bis 115 mg/Tag) erhielten, war das 7 C.A.Naranjo und E.M.Sellers: Recent Dev. Alcohol. 4: 265, 19868 S.C. Kaim et al.: Am. J. Psychiatry 125: 1640, 1969 Resultat ebenfalls enttäuschend.20 Neuroleptika (wie auch 9 E.M. Sellers et al.: Clin. Pharmacol. Ther. 34: 822, 1983 Antidepressiva) senken die Krampfschwelle des Gehirns 10 A.J. Rosenbloom: Am. J. Med. 81: 901, 1986 und können den Ablauf eines Alkoholentzugssyndroms 11 P.J. Pentikäinen et al.: Br. Med. J. 2: 861, 197812 J.M. Horder: Br. Med. J. 1: 693, 1978 negativ beeinflussen. Deswegen sollen bei psychotischen 13 S.D. McGrath: Br. J. Addict. 70 (Suppl. 1): 81, 1975 Episoden Neuroleptika (z.B. Haloperidol 0,5 bis 5 mg) 14 A.K. Burroughs et al.: Alcohol Alcoholism 20: 263, 1985 nur unter dem Schutz einer antiepileptisch wirksamen 15 D. Ladewig: Swiss Med 8 (3b): 27, 198616 P. Kramp und O.J. Rafaelsen:Acta Psychiatr. Scand. 58: 174, 1978 Substanz eingesetzt werden. Zur primären Behandlung 17 J. Flygenring et al.: Acta Psychiatr. Scand. 69: 398, 1984 des Delirs sind sie nicht indiziert. 18 G.R. Baumgartner und R.C. Rowen: Arch. Intern. Med. 147: 1223, 19 P. Devenyi und M.L. Harrison: Can. Med. Assoc. J. 132: 798, 198520 E. Holzbach und K.E. Bühler: Nervenarzt 49: 405, 1978 Der Einsatz von Betablockern beim Alkoholentzugssyn- 21 E.M. Sellers et al.: J. Stud. Alcohol 38: 2096, 1977 drom wird in den meisten Übersichtsarbeiten zurückhal- 22 C. Carlsson und B.-G. Fasth: Br. J. Addict. 71: 321, 1976 23 M.L. Kraus et al.: N. Engl. J. Med. 313: 905, 1985 tend bewertet.4,7 Zwar erwies sich in einer sechstägigenDoppelblindstudie niedrig- und hochdosiertes Proprano-lol (z.B. Inderal®, 40 oder 160 mg/Tag) bei leichten Ent-zugssyndromen gegenüber Chlordiazepoxid (100 mg/Tag)als ebenbürtig,21 indem Propranolol sehr wirkungsvoll dieSymptome des erhöhten Sympathikotonus beeinflusste. In einer weiteren Studie war Propranolol (120 mg/Tag) Dia-zepam (30 mg/Tag) sogar überlegen.22 Auch Atenolol (Te- Dr. B. Bischof, Medizinische Abteilung, Spital, CH-9630 WattwilProf.Dr. H.U. Fisch, Psychiatrische Universitätspoliklinik, CH- 3010 Bern normin®) ist geprüft worden; in einem Doppelblindver- Prof. Dr. D. Ladewig, Psychiatrische Universitätsklinik, CH-4025 Basel gleich war dieser Betablocker deutlich wirksamer als Dr. G. Sondheimer, Forel-Klinik, CH-8548 Ellikon a. d. Thur Placebo.23 Allerdings erhielt in diesen beiden letzten Stu-dien ein Teil der Patienten zusätzlich ein Schlafmittel.
Betablocker wirken weder sedierend noch antikonvulsivund tragen zur Prophylaxe von Komplikationen wenig bei,so dass sich ihr Nutzen wahrscheinlich auf Fälle mit schwe-rem Tremor, Herzrhythmusstörungen oder starkem Blut-druckanstieg beschränkt.
Schlussfolgerungen
Das Vorgehen bei einem Alkoholentzugssyndroms muss unter Mitarbeit von Renato Galeazzi (St. Gallen) & Urs A. Meyer (Basel) immer auf den einzelnen Patienten zugeschnitten werden; Redaktionelle Mitarbeiter: B. Holzer (Thun), M.M. Kochen (München)Redaktionsassistent: Urspeter Masche (Wil) gerade weil psychische und soziale Momente entscheidend Verlagsmitarbeiter: Remo De Toffol, Susanne Schibenegg mitspielen, lassen sich keine starren Regeln aufstellen.
pharma-kritik erscheint zweimal monatlich Eine optimale Pharmakotherapie ist nur ein Baustein für Bezugspreise: Jahresabonnement Fr. 78.- (Studenten Fr. 39.-),Z weijahresabonnement Fr. 136.-, Einzelnummer Fr. 6.- einen erfolgreichen Entzug. Wenn man sich entschliesst, Infomed-Verlags-AG, Bergliweg 17, 9500 Wil, Telefon (073) 22 18 18 medikamentös zu behandeln, sind Benzodiazepine Mittel der Wahl, denn ihre Anwendung ist sicherer als die von 1988 Etzel Gysling Wil. All rights reserved.

Source: http://www.webeplus.ch/sites/default/files/literatur_psychiatrie/therapie_des_alkoholentzugssyndroms.pdf

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