Hashimoto-Thyreoiditis
Autorin: Dipl.-Päd. Nicole Rolfsmeier Datum: 04. November 2005 (aktualisiert 16. Dezember 2013)
Vorbemerkung
Die Hashimoto-Thyreoiditis gilt al gemein als harmlose Bagatel erkrankung, die keine oder kaum Beschwerden verursacht und die beobachtet, aber nicht unbedingt behandelt werden muss. Oft ist sie tatsächlich nur ein Zufal sbefund bei einer umfangreicheren Routineuntersuchung, manchmal wird sie aber auch erst nach einem jahrelangen Leidensweg mit unzähligen Fehldiagnosen entdeckt. Und dabei ist die Hashimoto-Thyreoiditis mit rund 10 % Betroffenen in der Gesamtbevölkerung eine recht häufig auftretende Erkrankung.
Die Hashimoto-Thyreoiditis ist keine Befindlichkeitsstörung, die man vernachlässigen kann, sondern eine chronische Erkrankung, die einer konsequenten und individuel angepaßten Behandlung bedarf. Durch dieseSchilddrüsenerkrankung viel eicht sogar dauerhaft in der Lebensqualität beeinträchtigt zu sein ist weder Ausdruck einer übertriebenen Wehleidigkeit noch Zeichen für eine Wil ensschwäche. Die Hashimoto- Thyreoiditis ist keine psychosomatische Erkrankung! In etlichen Fäl en ist die viel zu spät einsetzende Behandlung die Hauptursache dafür, daß nicht mehr al e Symptome vol reversibel sind. Erschwerend kommt hinzu, daß nur die Schilddrüsenunterfunktion ausgeglichen, nicht aber die zugrunde liegende Autoimmunerkrankung, die auch Beschwerden verursacht, behandelt werden kann. Definition
Bei der Hashimoto-Thyreoiditis (Autoimmunthyreoiditis) handelt es sich um eine chronische Entzündung der Schilddrüse. Diese Entzündung wird al erdings nicht durch Viren oder Bakterien ausgelöst, sondern geht zurück auf eine Fehlsteuerung im Immunsystem. Die Abwehrzel en des Immunsystems richten sich dabei nicht wie normalerweise gegen körperfremde Eindringlinge, sondern greifen fälschlicherweise körpereigenesGewebe an. Deswegen zählt man die Hashimoto-Thyreoiditis auch zu den Autoimmunerkrankungen.
Benannt ist die Hashimoto-Thyreoiditis nach ihrem Entdecker, dem japanischen Arzt Dr. Hakaru Hashimoto, der diese Erkrankung erstmals 1912 beschrieb. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis gibt es zwei unterschiedliche Verlaufsformen. Zum einen die hypertrophe Variante, die durch unkontrol iertes Wachstum von Schilddrüsenzel en zu einer Vergrößerung der Schilddrüse führt und zum anderen die atrophe Variante, bei der Schilddrüsengewebe zerstört und abgebaut wird (die Schilddrüse wird kleiner). In Deutschland häufiger ist die atrophe Form, sie tritt bei rund 80 % der Erkrankten auf. Ursachen
Die genauen Ursachen und Auslöser für die Entstehung der Hashimoto-Thyreoiditis sind noch nicht ausreichend wissenschaftlich erforscht. Vermutet wird jedoch, daß es nicht eine einzige Ursache gibt, sondern daß mehrere Faktoren zusammentreffen müssen, damit es tatsächlich zum Krankheitsausbruch kommt. Von einer genetischen Veranlagung, chronischen Infektionen, Streß, Veränderungen der Sexualhormone (Schwangerschaft, Wechseljahre), übermäßiger Jodzufuhr, Rauchen, Amalgam bis hin zu einem Anstieg der Krankheitshäufigkeit nach dem Reaktorunfal von Tchernobyl werden diverse Auslöser diskutiert. Diagnose
Erste Hinweise auf das Vorliegen einer Schilddrüsenerkrankung ergeben sich aus der Blutuntersuchung. Bei der Hashimoto-Thyreoiditis muß dabei zwischen den Hormonen (TSH, fT3, fT4), welche die Schilddrüsenfunktionslage beschreiben und den Antikörpern (TPO-AK, Tg-AK, TRAK), die für die Diagnose
wegweisend sind, unterschieden werden. Unabhängig davon, ob diese Blutwerte noch im Normalbereich liegen oder bereits verändert sind, sol te bei für eine Schilddrüsenerkrankung typischen Beschwerden eine Sonografie duchgeführt werden. Denn besonders im Anfangsstadium der Hashimoto-Thyreoiditis ist die Funktion der Schilddrüse oft noch nicht eingeschränkt, da der entzündliche Zerstörungsprozeß eher schleichend verläuft und es somit auch nur sehr langsam zu einem meßbaren Funktionsverlust kommt. Ein TSH um die 2 uIU/ml kann deshalb schon ein Indiz dafür sein, daß eine Unterfunktion vorliegt. Auch das Fehlen von Antikörpern schließt eine Hashimoto- Thyreoiditis nicht zwingend aus. Beweisend ist die Sonografie der Schilddrüse mit der Entzündungen und Größenveränderungen eindeutig nachzuweisen sind! Wird dabei ein Schilddrüsenvolumen kleiner 10 ml festgestel t, kann dies ebenfal s ein Hinweis auf eine Hypothyreose sein. In Einzelfäl en können auch weitere Untersuchungen wie ein TRH-Test, eine Szintigrafie oder eine Gewebeentnahme (Schilddrüsenpunktion) notwendig sein. Krankheitsverlauf
Bedingt durch die Entzündung kommt es zu Beginn der Erkrankung zu einer Zerstörung der Hormonspeicherin der Schilddrüse, wodurch die darin enthaltenen Hormone freigesetzt werden und Überfunktionssymptome (z. B. Schwitzen, Unruhe, Reizbarkeit, Zittern, Durchfal , Gewichtsabnahme) auftreten können. Diese Phase wird auch als Hashitoxikose bezeichnet. Je mehr Schilddrüsengewebe dann im weiteren Verlauf durch die Entzündung zerstört wird, desto wahrscheinlicher wird es, daß die geschädigte Schilddrüse nicht mehr genug Homone produzieren kann, um den gesamten Organismus ausreichend damit zu versorgen. Langfristig kommt es deshalb fast immer zu einer Hypothyreose (Schilddrüsenunterfunktion). Die Hashimoto-Thyreoiditis ist nicht heilbar!
Krankheitssymptome
Die Beschwerden, die durch eine Hashimoto-Thyreoiditis verursacht werden können, sind ausgesprochen vielseitig, weil sie nicht nur im Bereich der Schilddrüse auftreten, sondern sehr unterschiedliche Organsysteme betreffen können. Zu welchen z. T. paradoxen Beschwerden es im Einzelfal kommt und auchdie Schwere der Symptome ist individuel unterschiedlich. Beeinträchtigungen sind in folgenden Bereichen möglich:
Lokalsymptome: Missempfindungen im Hals, Heiserkeit, Halsschmerzen, Kloßgefühl, ziehende Schmerzen im Bereich der Schilddrüse, lokale Hautrötungen, Schmerzen im Gesicht, Zahnschmerzen
Haut und Haare: Lidödeme, trockene Haut, Juckreiz, gelbliche Färbung der Haut, brüchige Fingernägel, Neigung zu blauen Flecken, strohige Haare, Haarausfal
Herz-Kreislauf-System: Herzrasen, Schwindel, diastolischer Bluthochdruck z. B. 140 : 110 (selten: niedriger Blutdruck), langsamer Puls (selten: schnel er Puls), erschwerte Atmung
Energie- und Fettstoffwechsel: Gewichtszunahme (selten: Gewichtsabnahme), Kältegefühl, Erschöpfung, Schwäche, Lethargie, niedrige Körpertemperatur
Magen-Darm-System: Appetitlosigkeit, Übelkeit, Sodbrennen, Bauchschmerzen, Blähungen, Verstopfung (selten: Durchfal )
Muskeln und Gelenke: Muskelschwäche, Muskelverspannungen (Muskelhärten), Gelenkschmerzen, Karpaltunnelsyndrom (nächtliches Einschlafen der Finger u. Hände)
Psyche: Weinerlichkeit (selten: Reizbarkeit), Depressivität, Konzentrations- u. Gedächtnisstörungen, Nervosität, Panikattacken, Stimmungsschwankungen
Sexualhormone: PMS, Brustspannen, Zyklusstörungen, ungewollte Kinderlosigkeit, sexuel e Unlust
Therapie
Die einzige schulmedizinisch mögliche Behandlungsmethode der Hashimoto-Thyreoiditis besteht in dem lebenslangen Ersatz der fehlenden Schilddrüsenhormone, d. h. Ausgleich der Schilddrüsenunterfunktion durch die tägliche Einnahme künstlich hergestel ter Schilddrüsenhormone. Die Ursache der Hashimoto- Thyreoiditis ist durch diese Schilddrüsenhormontherapie jedoch nicht beeinflußbar. Wichtig ist in dem Zusammenhang, daß die Schilddrüsenhormondosis nur langsam (wochenweise um 25 µg) gesteigert wird und daß bei den regelmäßig notwendigen Therapiekontol en (ca. al e 3 - 6 Monate) das Thyroxinpräparat am
Untersuchungstag nicht eingenommen wird!
Bei den mit Abstand am häufigsten verwendeten Schilddüsenhormonpräparaten handelt es sich um Monopräparate, die Levothyroxinnatrium (T4) als al einigen Wirkstoff enthalten. Zur Behandlung einer durch die Hashimoto-Thyreoiditis bedingten Schilddrüsenunterfunktion stehen neben dieser Standardtherapie mit T4 auch Präparate zur Verfügung, die T3 enthalten. Diese Medikamente gibt es als Monopräparate oder als Kombinationspräparate, welche neben T3 auch T4 enthalten. Darüber hinaus gibt es noch sogenannte natürliche Schilddrüsenhormonpräparate, die aus einem getrockneten Schweineschilddrüsenextrakt hergestel t werden.
Vielen Betroffenen ist dank einer individuel angepaßten Therapie mit Thyroxinpräparaten ein weitgehend beschwerdefreies Leben möglich. Leider gibt es aber auch Erkrankte, die aufgrund anhaltender Symptome dauerhaft in ihrer Lebensqualität beeinträchtigt sind und für die es kaum alternative Behandlungsmöglichkeiten gibt.
Auf die Zufuhr von Jod (insbesondere in Form von Nahrungsergänzungsmitteln und Medikamenten) sol verzichtet werden, weil im Bestreben das Jod zu verarbeiten die kranke Schilddrüse in ihrer Aktivität sonst nur noch gefördert und damit der Autoimmunprozeß unnötig angeheizt würde.
Die tägliche Einnahme von 200 µg des Spurenelements Selen kann neueren Studien zufolge die spezifischen Antikörper (TPO-AK u. Tg-AK) senken. Selen wirkt dabei als Antioxidans (Radikalfänger) und vebessert die Funktionsfähigkeit des Immunsystems. Für die Umwandlung des Schilddrüsenhormons T4 (eine Art Speicherform) in die stoffwechselaktive Form T3 ist das Enzym Jodthyronin-5-Dejodase zuständig, welches wiederum von Selen abhängig ist.
In seltenen Ausnahmefäl en, z. B. bei einer deutlichen Vergrößerung der Schilddrüse oder auch bei anhaltenden Einstel ungsproblemen, kann eine Operation notwendig werden. Leider garantiert aber auch eine Operation keine anschließende Beschwerdefreiheit.
Weitere Informationen zu Schilddrüsenerkrankungen finden Sie online unter Für an einer Hashimoto-Thyreoiditis erkrankte PatientInnen gibt es außerdem folgendes E-Book:
Ratgeber für PatientInnen mit einer Unterfunktion der Schilddrüse
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