Oratorien-Projekt „Horror otii“
Text: Harald Bäumler, Musik: Christof Weiß
Die Idee: „Zeit“ ist heutzutage ein sehr kostbares und knappes Gut. Unsere Epoche ist geprägt von Hektik und Schnelllebigkeit, was die viel beschäftigten Autoren selbst sehr gut kennen. Daraus wurden sie zu einer intensiveren künstlerischen Beschäftigung mit dem Thema „Zeit“, „Umgang mit der Zeit“, „Knappheit der Zeit“ und „Hektik“ inspiriert. Das Stück: Ursprünglich als kurzes Intermezzo für Sprecher und Klavier geplant, weitete sich das Stück nach und nach „von selbst“ aus. Die Idee verlangte nach einer größeren Besetzung, zunächst mit Chor, dann auch mit weiteren Instrumenten. Und da die Dimension „Zeit“ eine Beschäftigung mit der Dimension „Raum“ nach sich zieht, wurde schließlich auch die räumliche Disposition immer wichtiger, und als Uraufführungsort kristallisierte sich die Mariahilfbergkirche in Amberg heraus. Das Stück „Horror otii“ (etwa „Das Erschrecken vor der Ruhe“) ist ein abendfüllendes, ca. 80-minütiges Oratorium mit geistlichem Charakter in deutscher Sprache. Die fünf Sätze tragen folgende Titel: 1. Quid est enim tempus?
2. Praetermittimus tempus temporis quaerendo? (Verschwenden wir die Zeit durch die Suche nach ihr?) 3. Acceleratio?
Der erste Satz beschäftigt sich inhaltlich besonders mit dem Wesen der Zeit und der Unfassbarkeit des Augenblicks zwischen Vergangenheit und Zukunft.
Im zweiten Satz wird von der alttestamentarischen Position des Kohelet, der als hebräischer
Sprecher (Originaltext) auftritt und zugleich vom Chor auf eigene Weise übersetzt wird, besonders die Nichtigkeit und Vergänglichkeit der Zeit beleuchtet. Die Position dieses mahnenden Propheten spielt in den Folgesätzen eine gewichtige Rolle. Der Satz gewinnt durch seine Appellierung an heutige Me-thoden der „Zeitplanung“ inhaltlich ein hohes Maß an Aktualität.
Diese wird auch mit der Darstellung der Hektik und Rastlosigkeit unseres Zeitalters in der „Ac-
celeratio“ erreicht, die in erster Linie vom künstlerischen Ausdruck der Schnelllebigkeit und Ober-flächlichkeit lebt: Das Wesentliche bleibt dem Hastigen verborgen.
Einen scheinbaren („mentax“) Ruhepol stellt der vierte Satz dar. Zunächst ist an der Gestaltung
zu spüren, dass gerade die Musik die Ruhe braucht, um aus ihr zu leben und zu atmen. Im Verlaufe des Satzes entstehen jedoch mehr und mehr Zweifel an der Echtheit dieser Beruhigung. Somit ver-weist „Mentax tranquillitas“ auf die umstrittenen und kapitalistisch geprägten Formen von Ruhe und Entspannung, die uns heute angeboten werden.
All diese Gedanken, verbunden mit einer großen Steigerung bis hin zur „finalen Katastrophe“,
der „Überschleunigung“, fasst der groß angelegte Schlusssatz zusammen, in dem poetisch wie musi- kalisch nochmals alle Register gezogen werden und alle beteiligten Charaktere auftreten. Bis ins Gro- teske und stark Überzogene werden Hörer und Mitwirkende von „Tempo“ und „Acceleratio“ geführt. Zur intensiveren Kommunizierung der Inhalte des Stückes wird für die Besucher ein umfangreiches Programmheft angeboten werden. Die Besetzung: Neben der Besetzung spielt besonders die Aufstellung der Musiker eine entscheidende Rolle: So wird im Altarraum der Chor samt Chorleiter positioniert sein, davor der Hauptsprecher und zu bei- den Seiten je eine Violine und ein Violoncello. Wie die Streicher sind auch die Bläser in Instrumen- tengruppen zu je zweien (einem hohen und einem tiefen Vertreter der Familie) besetzt. Hinter dem Chor stehen je zwei Trompeten und Posaunen sowie ein Pauker. Auf der Empore steht der Dirigent, neben dem Organisten sitzen zu jeder Seite zwei Schlagzeuger. Auf der Galerie über beiden Seiten des
Kirchenschiffs stehen je zwei Querflöten, Klarinetten, Saxophone (je hoch und tief) sowie eine Oboe, ein Fagott und ein Vibraphon. Außerdem bewegt sich als Gegenpol oder „zweite Charakterseite“ zum Sprecher ein Solobariton auf der Empore.
Die Musik spielt natürlich viel mit dem Element der „Zeit“ in der Musik: Neben dem Einsatz
von Metronomen und anderen ungewöhnlichen Instrumenten (z. B. Handy) wechseln sich rhythmisch feste mit senza-misura-Passagen von variabler Länge ab. Die Tonsprache streift sowohl schwebend- flirrende Klänge als auch traditionell anmutende Choralzitate sowie sehr belebte Sprechpassagen des Chores, ist aber immer an den Möglichkeiten von Laienmusikern und –sängern orientiert. Die Autoren: Harald Bäumler (*1975) begann nach dem Abitur am Gregor-Mendel-Gymnasium Amberg 1995 an der Universität Regensburg das Studium der Katholischen Theologie. Von 1997 bis 2001 studierte er zusätzlich die Fächer Philosophie und Kunstgeschichte. Ab 2001 studierte er in Regensburg Bildende Künste und ästhetische Erziehung bei Professor Hermann Leber und Professor Dr. Birgit Eiglsperger mit zweitem Hauptfach Katholische Theologie. Seine Magisterarbeit beschäftigte sich mit dem archi- tektonischen Entwurf einer Platzgestaltung in Verbindung mit der bildhauerischen und plastischen Konzeption und Ausarbeitung eines Brunnens. Im Schuljahr 2005/06 unterrichtete er neben seiner Tätigkeit als freischaffender Künstler Katholische Religionslehre am Europäisch-Ungarischen Gymnasium in Kastl. Im Mai 2006 wirkte er bei der Aufführung des Freilufttheaters „Vilstheater“ in Amberg schauspiele- risch, übersetzerisch und bildnerisch mit. 2006/07 verfasste er das Libretto des Oratoriums „Horror otii“. Harald Bäumler arbeitet als freischaffender Künstler und fertigt diverse Aufträge für öffentliche Hand, Kirche und Privatpersonen, sowie zahlreiche freie Arbeiten. Darüber hinaus tritt er bisweilen kabaret- tistisch und schauspielerisch mit teils selbst verfassten Stücken auf die Bühne. 2008 schuf er die Monumentalskulptur „Via Carolina – Bayerisch-Böhmischer Knoten“ zur Fertigstel- lung der A 6 bei Trisching-Stockerholz. Christof Weiß (*1986) studiert nach dem Abitur 2006 am Max-Reger-Gymnasium Amberg in Würz- burg Komposition bei Prof. Heinz Winbeck sowie Physik Diplom. Im Rahmen des Studiums entsteht auch dieses Oratorium. Kompositorische Arbeiten für Bläserensembles, Tasteninstrumente, Schlag- zeug solo und Ensemble, Violoncello solo sowie zwei mehrmals aufgeführte Theatermusiken, zeitge- nössische Blasorchesterwerke und mehrere Ensemblestücke gehören zu den bisherigen Arbeiten des jungen Komponisten. Instrumentalunterricht in Klavier, Orgel und Schlagzeug am Max-Reger- Gymnasium Amberg und bei privaten Lehrern sowie die musikalische Aktivität in Blasorchestern, Percussionensembles, Kirchenmusik und verschiedenen Unterhaltungsmusikgruppierungen prägen den musikalischen Werdegang.
Die Uraufführung findet am Sonntag, 21.3.2010 um 18.00 in der Wallfahrtskirche Maria hilf in Am-berg statt.
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