Asmus Finzen Neuroleptika: Vier Jahrzehnte Dosierungsempfehlungen in ausgewählten Lehrbüchern
Die Deutsche Gesel schaft für soziale Psychiatrie hat Ende 2007 eine Debatte über
Gebrauch und Missbrauch von Neuroleptika angestoßen, über „Fluch und Segen“,
„Chance oder Desaster“. Angestoßen wurde sie von Volkmar Aderhold, der sie auch
weiterhin prägt. Die Debatte, die anfangs vor al em auf die - lange bekannte - erhöhte
Mortalität unter Neuroleptika abhob, hat sich zunehmend differenziert. Man kann
heute schon sagen, dass sie ähnlich wie die Soteria-Debatte in den neunziger
Jahren das Nachdenken über Indikationen und Dosierungen von Neuroleptika heftig
aufgerüttelt hat. Das ist ihr Verdienst. Allerdings sehen ihre Protagonisten den
Einsatz von Neuroleptika wegen ihrer vielfältigen unerwünschten Wirkungen nach
wie vor vorwiegend negativ. Sie halten die neuroleptikafreie Behandlung von 40-60%
al er ersterkrankten Psychosekranken für möglich und kämpfen dafür, dass dies auch
geschieht. Aus meiner Sicht ist das unter Alltagsbedingungen eine wunderbare
Hoffnung, die ich gern teilen würde. Wenn man nach ICD-10 Kriterien und nicht
nach Bleulerschen diagnostiziert - dann wären es ein Drittel – sehe ich al erdings
schwarz: dann sind es al enfal s 20 Prozent. Allerdings weiß man in jedem Fal erst
am Ende der ersten Krankheitsepisode, ob es auf Dauer ohne Neuroleptika geht
oder nicht. Je länger die Debatte andauert, desto öfter frage ich mich: worüber
Mit der Differenzierung der Auseinandersetzung ist die Dosierung der Neuroleptika in
den Mittelpunkt gerückt: wenn sie schon verabreicht werden, sol en sie möglichst
niedrig dosiert werden, um den Schaden, den sie anrichten, möglichst gering zu
halten. Als jemand, der antipsychotische Medikamente eher als Segen denn als
Fluch begreift und sich dennoch seit 40 Jahren für ihre streng indizierte Verwendung
in angemessener - d. i. möglichst niedriger - Dosierung einsetzt, versuche ich hier,
anhand von je zwei psychiatrischen und pharmakopsychiatrischen Lehrbüchern die
Entwicklung der Neuroleptika-Dosierungs-Empfehlungen am Beispiel der
Referenzsubstanz Haloperidol über die vergangenen vier Jahrzehnte
Ich habe Bücher ausgewählt, die klinisch- oder sozialpsychiatrisch orientiert sind: das
hannoversche Lehrbuch der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, das
Töl esche Lehrbuch der Psychiatrie, die Psychiatrische Pharmakotherapie von
Benkert und Hippius sowie meine Medikamentenbehandlung bei psychischen
Störungen. Außerdem habe ich auf einige aktuel e Lehrbücher weiterer Autoren
zurückgegriffen. Es erübrigt sich fast darauf hinzuweisen, dass sie al e Neuroleptika
zwar als Problemmedikamente betrachten, aber mit Ausnahme von Dörner und Plog
dennoch auf der»Segenseite« sehen. Meine Auswahl ist subjektiv. Sie hat sich vor
al em daran orientiert, was in meinem Bücherregal steht.
Das Lehrbuch »Psychiatrie«, von Walter Schulte und Rainer Töl e, zweier
engagierter Tübinger Kliniker, erschien 1971, dem Jahr des Beginns der Psychiatrie-
Enquete, in der ersten und 2009 in der 15. Auflage. Es war über viele Jahre eines
der verbreitetsten deutschsprachigen Lehrbücher der Psychiatrie. Nach dem Tode
von Walter Schulte im Jahre 1972 wurde es zunächst von Tölle, der nach Münster
gewechselt war, al ein fortgeführt; von der sechsten Auflage (1982) an in
Zusammenarbeit mit Reinhard Lempp, der die Kinder und Jugendpsychiatrie in das
Buch integrierte. Mit der 13. Auflage (2002) kam Klaus Windgassen dazu, der durch
eine eindrucksvol e Untersuchung zu den subjektiven Nebenwirkungen von
Neuroleptika (1989) bekannt geworden ist.
Das Buch weist im Hinblick auf seine Empfehlungen zur Behandlung mit
Neuroleptika eine bemerkenswerte Konstanz auf. Von der ersten bis zur 15. Auflage
gibt es eine Reichweite von 3-20 mg Haloperidol als Tagesdosis an (bis zu 20 mg in
Akutsituationen), bei längerer Therapie von 1- 6 mg. Die Autoren halten es für
vertretbar, bei einer akuten Psychose mit einer hohen Dosierung zu beginnen, um
diese dann schrittweise auf die niedrigste mögliche Schwel endosis zu reduzieren.
Diese Einstel ung war damals, vor 40 Jahren, relativ verbreitet.
Diese Position wird für die akute Psychose in differenzierter Form auch in der
sechsten Auflage von 1982 vertreten: mit der Dosisreduzierung sol bereits nach
wenigen Tagen begonnen werden, mit dem Ziel, möglichst niedrige
Medikamentendosen einzusetzen und die nicht medikamentösen
Behandlungsverfahren nicht zu beeinträchtigen. Wichtig ist der Zusatz: »Bei weniger
akuten Syndromen ist einschleichend zu dosieren und die minimal wirksame Dosis
zu bestimmen.« Ich erinnere mich übrigens, dass wir an der Tübinger Nervenklinik
unter der Anleitung von Schulte und Töl e Ende der Sechzigerjahre, außer bei akuten
Erregungszuständen mit Standarddosierungen von 1,5-3 mg täglich (3 x 5 bis 3x10
In der 12. Auflage von 1999 werden die Empfehlungen von 1982 im wesentlichen
wiederholt. Über den ganzen Zeitraum werden die großen Dosisobergrenzen nicht
als Empfehlungen verstanden. Vielmehr sei die notwendige Dosis nicht nur von der
Art des Medikamentes und vom Schweregrad der Symptomatik abhängig, sondern
auch von individuel en Faktoren, die im Voraus kaum zu erkennen seien. In der
letzten Ausgabe sind die Empfehlungen, möglichst niedrig zu dosieren, noch
verstärkt. Diese Gesamtlinie verfolgt auch die 15. Auflage von 2009.
Das hannoversche Lehrbuch der Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie an
das erste deutschsprachige Lehrbuch, das von sozialpsychiatrischen und
psychotherapeutischen Ideen getragen wurde. Im Gefolge der Studentenbewegung
zuerst erschienen, firmierte die erste Auflage entsprechend der alphabetischen
Reihenfolge der Namen der Autoren 1973 unter »M. Bauer und andere«. Von der
vierten Auflage (1980) war K.-P.- Kisker Erstautor. 1999 schließlich erschien eine
Neuausgabe unter Federführung von Wielant Machleit, der 2004 eine weitere
Auflage folgte. Das Buch deckt somit fast vier Jahrzehnte seit den Anfängen der
Psychiatriereform ab. In den 70er und 80er Jahren war es in sozialpsychiatrischen
und psychotherapeutischen Kreisen ausserordentlich verbreitet
1973 empfiehlt das Buch zur Behandlung schizophrener Psychosen 3-6 mg1980 sind es 3-15 mg. Liest man den Begleittext im Zusammenhang, wird deutlich,
dass die höhere Dosierung in bestimmten Akutsituationen als gerechtfertigt
angesehen wird, etwa bei einem »mit Angst und ich Wahnsymptomen
1999 sind die Empfehlungen zur Pharmakotherapie schizophrener Psychosen, die
Wielant Machleidt verfasst hat, wesentlich differenzierter. Schon in den Leitlinien
»In der modernen Psychopharmakotherapie wird das Prinzip der Niedrigdosierung
verfolgt. Die medikamentöse Behandlung wird als rein symptomatische, vor al em
reizabschirmende Schutzmaßnahme im Rahmen eines integrativen Therapieplanes
verstanden, bei dem psycho- und soziotherapeutische Verfahren sinnvol
Der nächste Abschnitt wird durch farbige Unterlegung hervorgehoben:
»Zwischen antipsychotischer Pharmakotherapie und psycho- und
soziotherapeutischer Behandlung besteht ein umgekehrt proportionales Verhältnis.
Je besser die psycho- und soziotherapeutische Behandlung, umso niedriger können
in der Regel die verabreichten Psychopharmaka-Dosierungen liegen.« In seinen
speziel en Empfehlungen hält das Buch bei »hochakuten schizophrenen Episoden
eine Initialdosierung von 3-15 mg Haloperidol für gerechtfertigt. »Höhere
Dosierungen haben, abgesehen von Einzelfäl en, keine bessere therapeutische
»Bei weniger akuten psychotischen Episoden wird die minimale wirksame Dosis
immer in die individuel e "austitriert ". Diese liegt bei etwa 2-3 mgHaloperidol pro Tag
. und wird dann je nach Behandlungsstrategie beim ersten Auftreten von Kriterien,
die für das Vorliegen einer minimalen wirksamen Dosis sprechen, für 2-3 Wochen
beibehalten, beziehungsweise bei ungenügendem Effekt erhöht. Eine andere
Behandlungsmethode ist die, eine schrittweise einschleichende Erhöhung der im
Jahr Dosis im Wochenabstand durchzuführen, bis ein befriedigender
antipsychotischer Effekt erreicht wird.«
Mathias Berger gibt in der dritten Auflage (2008) seiner »Psychische Erkrankungen«
eine Behandlung schizophrener Psychosen Haloperidol-Dosen von 5-10 mg täglich
an. Wolfgang Gaebel und Franz Mül er-Spahn (2002) empfehlen ihrer Diagnostik und
»Therapie psychischer Störungen« Dosen von 3-6 mg bei maximaler Dosierung von
15-30 mg; Hans-Jürgen Möl er (2000) in der zweiten Auflage seiner »Therapie
psychiatrischer Erkrankungen«, hält fest, dass für die akute Behandlung in der Regel
500-1000 Chlorpromazin-Einheiten (10-20 mg Haloperidol) ausreichen. Außerdem
meint er, dass mit der Einführung der Atypika Dosierungsfragen in Zukunft
möglicherweise in den Hintergrund treten werden. Wohlgemerkt, diese Auffassungen
Klaus Dörner und Ursula Plog tragen mit ihrem Lehrbuch „Irren ist menschlich« kaum
etwas zur Dosierungsdebatte bei. Ihre Kernaussage: »Neuroleptika bleiben ein
Behelf, eine unterdrückende und einengende Krücke - unverzichtbar und
verantwortbar nur, solange wir nicht besser sind.« Ähnliches gilt übrigens auch für
die Bestrahlung und die Chemotherapie bei Krebserkrankungen. Leider sind wir nicht
Die »Psychiatrische Pharmakotherapie« von Otto Benkert und Hanns Hippius war
von 1974 bis 1996 das verbreitetste deutschsprachige Lehrbuch der
Pharmakopsychiatrie. Es erschien in 6 Auflagen. Im Jahr 2000 wurde es vom
»Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie«, (Hg. Benkert und Hippius)
abgelöst, das mittlerweile ebenfal s in der sechsten Auflage vorliegt.
1974 heißt es in der ersten Auflage zur Dosierung von Haloperidol (außer bei
psychomotorischen Erregungszuständen): »Bei der antipsychotischen Behandlung,
wenn möglich, immer einschleichend mit dreimal 0,5 mg täglich oral beginnen. Die
stationäre Erhaltungsdosis sol te nach circa sieben Tagen erreicht sein. Sie liegt bei
etwa 2-6 mg täglich oral; ambulante Erhaltungsdosis ein bis 3 mg täglich. Einige
Patienten vertragen auch über längere Zeit sehr viel höhere Dosen ohne
1980 findet sich nur eine leichte Modifizierung der Empfehlung: »Bei der
antipsychotischen Behandlung, wenn möglich ein schleichend mit dreimal 0,5-3 x 1,5mg täglich oral beginnen. Die stationäre Erhaltungsdosis sol te nach einigen Tagen
erreicht sein. Das Ziel liegt etwa bei 2-10 mg täglich oral, in Ausnahmefäl en bis 30 mg täglich auch über mehrere Wochen. Die ambulante Erhaltungsdosis liegt
wesentlich niedriger. Gute Erfolge und nicht unbedingt vermehrte Nebenwirkungen
werden auch bei der Gabe der Erhaltungsdosis gleich zu Beginn beobachtet.«
Hier fordert der Zeitgeist seinen Tribut. Die späteren Ausgaben liegen mir leider nicht
In der sechsten Auflage des Kompendiums (2007) lautet die Empfehlung:
»Erhaltungsdosis, wenn möglich, 5-10 mg oral (in Ausnahmefäl en stationär bis zu 40
Untersuchungsergebnisse legen im Regelfal eher niedrigere Dosen zur Behandlung
der positiven Symptomatik nahe (4-8 mg pro Tag); bei psychomotorischer Erregung
ist eine vorübergehende Benzodiazepin-Begleitmedikation zu empfehlen.
In Akutsituationen beziehungsweise bei Erregungszuständen werden in al en vier mir
vorliegenden Auflagen deutlich höhere Dosen als Injektionen empfohlen.
Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen Mein eigenes Buch hier einzubeziehen – und dann noch ausführlich -, mag anrüchig sein. Ich tue es dennoch – auch weil ich nur daran einen Einblick in die subjektive Seite des Autors vermitteln kann. Liege ich richtig? Bin ich auf dem Laufenden? Bin ich zu zurückhaltend? Laufe ich den Moden hinterher? Das sind Fragen, die sich mit jeder Auflage neu stel en. Und wenn ich falsch liege oder mich unverständlich ausdrücke, welchen Schaden richt ich dann an?
Meine »Medikamentenbehandlung« ist aus einem Leitfaden für die Assistenzärzte
und Assistenzärztinnen der Wunstorf der Klinik hervorgegangen, den ich Mitte der
Siebzigerjahre aus Verärgerung über die Medikamentenzentrierung des
»Benkert/Hippius« verfasst hatte. Das erklärt die „Kliniklastigkeit“ des Textes. Daraus
wurde dann 1979 das zweite Buch des Psychiatrieverlages nach »Irren ist
menschlich». Meine Dosisempfehlungen orientierten sich an den mittleren Dosen der
damals verbreiteten Umrechnungstabel e von Hans-Jürgen Haase, mit seiner
Theorie des Zusammenhanges von Wirkung und „neuroleptischer Schwel e übrigens
zeitlebens ein Anhänger der Niedrigdosierung war: 5 mg Haloperidol – implizit +/-.
Die Handlungsempfehlungen sind eingebettet in umfangreiche Überlegungen zur
Soziotherapie. Bereits die 4. Auflage (1981) verweist auf den Zusammenhang
zwischen Neuroletikaverbrauch und Familienmilieu. Die empfohlenen Leitlinien
beziehen sich dann aber vor al em auf die akute Psychose:
»Die akute schizophrene Psychose mit Symptomen wie Angst, notorischer Erregung,
Hal uzinationen, Verfolgungsideen und Denkstörungen wird mit hoch potenten
Neuroleptika behandelt. Nach der Einweisung kann eine Eingewöhnungsphase vor
Beginn der medikamentösen Therapie abgewartet werden. Häufig kommt es zu einer
Beruhigung der akuten Symptomatik, wenn der Patient von dem Milieu und den
Umständen entlastet ist, in denen sich sein Zustand krisenhaft zugespitzt hat . Wir
behandeln bei klarer Diagnose und abgeklärter Situation mit dreimal 5-10 mg
Haloperidol, bei leichterer Symptomatik mit dreimal 3 mg.«
Die Empfehlungen sind offensichtlich ausgerichtet auf die Situation einer Akut-
Aufnahmestation. Für die Zeit danach bleiben die Empfehlungen vage: es empfehle
sich, die Anfangsdosierung möglichst bald schrittweise wieder zurückzunehmen, um
das vertretbare Minimum an Medikation auszutesten.
Es sei daran erinnert, dass wir uns zum Zeitpunkt des Erscheinens der ersten
Auflage der Medikamentenbehandlung mitten in der Phase der Hochdosierung
befanden, die auch in der Klinik ihre Anhänger fand. Ich erinnere mich an eine
erbitterte Auseinandersetzung über die Obergrenzen der Routinemedikation in
Akutsituationen: ich versuchte durchzusetzen, dass eine Verabreichung von mehr als
30 mg Haloperidol pro Tag der Zustimmung eines Leitenden Arztes bedürfte.
Darüber war kein Konsens zu erreichen. Wir einigten uns schließlich auf 40 mg. Das
war zu viel. Es gewährleistete aber, was sich aus anderen Kliniken kannte, das nicht
heimlich mehr gegeben wurde bereits abgesprochen war. Diese Auseinandersetzung
Das schlägt sich in den folgenden Auflagen immer deutlicher nieder – ich wehre mich
mit nur mässigem Erfolg: In der vierten (1984) ist ein Abschnitt überschrieben mit
»Das Medikament als Krücke«. Und die Beschreibung der Neuroleptika-
Neuroleptika-Nebenwirkungen nimmt einen immer breiteren Raum ein. In der achten
Auflage (1990) schließlich heißt es im Vorwort programmatisch:
Ein »Anliegen hat von Auflage zu Auflage an Gewicht gewonnen: die Vermeidung zu hoher Medikamentendosen. Insbesondere Neuroleptika scheinen aufgrund ihrer
großen therapeutischen Breite zu unangemessen hoher Dosierung zu verleiten.
Dass beispielsweise Haloperidol . in Dosen von 2-8 mg sehr wohl wirksam ist,
scheint vielen Orten in Vergessenheit geraten zu sein; dass man die Menge der
verabreichten Medikamente im Interval zwischen zwei akuten Krankheitsepisoden
Auch Kapitel über unerwünschte Wirkungen von Neuroleptika im al gemeinen, über
deren Dosierung, über Psychopharmaka und Schwangerschaft sowie bei
Psychopharmaka und Sexualität verdanken solchen Erfahrungen ihre Entstehung.
Auch das Kapitel »sol ten Neuroleptika verboten werden?«, das in seiner
polemischen Form den Rahmen eines Lehrbuchs Spott zu sprengen scheint mahnt
zum nachdenklichen Umgang mit diesen Medikamenten. Die Empfehlungen zur Sicherung der Behandlungsqualität, die ich - überwiegend in Fragen gekleidet, an
den Schluss der meisten Therapie Kapitel gestel t habe, verfolgen das gleiche Ziel.«
Das Kapitel über unerwünschte Wirkungen von Neuroleptika schliesslich wird durch
zahlreiche Zitate aus Windgassens »Schizophreniebehandlung aus der Sicht der
Patienten« (1989) akzentuiert. In einem speziel en Kapitel zur Dosierung
problematisiere ich, »dass heute in manchen Kliniken 30 mg Haloperidol pro Tag gegeben werden, während in den frühen sechziger Jahren 3 mg noch ausreichenderschienen.« In dieser Auflage erscheint erstmals auch ein Zitat von Rifkin und Siris
(1987) - und bis zur 14. Auflage (2004)immer wieder -, in dem sie den damaligen
Stand des Wissens zu Dosierungsfragen zusammenfassen:
»Da es keinen Beleg dafür gibt, dass innerhalb des Dosierung Bereiches von 400-
1200 Chlorpromazin-Einheiten (8-24 mg Haloperidol) eine Dosierung wirksamer ist
als die andere, gibt es keinen Grund, eine Medikamentendosis einzusetzen, die
lästigen Nebenwirkungen verursacht, wenn die wirksame minimale Dosis
überschritten ist. Nur wenn diese unterschritten werden muss, um eine
nebenwirkungsarme Therapie zu gewährleisten, kann ein anderes Medikament
eingesetzt werden. Wenn ein Patient in früheren Zeiten auf ein bestimmtes
Medikament in einer bestimmten Dosierung gut angesprochen hat, ist es am besten,
bei beiden zu bleiben«. (In der 13. Auflage 2001 gehe ich hinter die Dosisempfehlung
zurück und empfehle einen Spielraum von 3-15mg).
In einem Kasten (1990) merke ich dazu an: »die antipsychotische Wirkung von
Neuroleptika nimmt im Gegensatz zu ihrer sedierenden Wirkung mit Steigerung der
Dosis nicht mehr zu. Die therapeutische Dosis liegt bei den verbreiteten
hochpotenten Neuroleptika niedriger als die weiterhin übrige übliche Dosierung .
vieles spricht dafür, dass Dosen dieser Medikamente unter 10 mg auf längere Sicht
ebenso wirksam sind wie Dosen über 20 mg.«
Im Abschnitt zur Behandlung der akuten schizophrenen Psychose heißt es
entsprechend: »Wir behandeln bei klarer Diagnose und abgeklärter Situation mit 10-
15 mg Haldol pro Tag, bei leichterer Symptomatik mit 4-9 mg.« Die Empfehlung, im
Therapieverlauf die Anfangsdosis möglichst bald schrittweise wieder
zurückzunehmen, um das vertretbare Minimum eine Medikation auszutesten, bleibt
bestehen. Ich folge also weiterhin der um 1970 von Töl e übernommenen
Philosophie, zu Beginn höher aufzudosieren, um, wie er schreibt, »die Psychose
Mit der 14. Auflage war das Buch eigentlich am Ende. Ich hatte die Nase vol von der
al seitigen Begeisterung über die Neuroleptika der zweiten Generation. Ich merkte,
dass ich diese nicht mittragen konnte. Ich wol te aber auch nicht gegen
Windmühlenflügel kämpfen. Dass wir 2007 mit der abgespeckten Ausgabe in der
Reihe Basiswissen einen Neuanfang wagten, hängt auch mit dem Abflauen der
Atypika-Euphorie zusammen. Seither lautet meine Empfehlung: »Es lohnt sich
durchaus, es mit Dosierungen von drei bis unter 10 mg (Haloperidol) zu versuchen.
Die mittleren Dosierungen klassischer Neuroleptika werden aus historischen
Gründen eher zu hoch angegeben, die von teuren Antipsychotika der zweiten
Generation aus kommerziel en Gründen eher zu niedrig. In jedem Fal gilt es, die
individuel verträglichste Dosis für jeden Kranken zu suchen und zu finden.«
Im Patientenratgeber »Umgang mit Psychopharmaka« von Nils Greve, Margret
Osterfeld und Barbara Diekmann da heißt es zum Haloperidol, bei einer oralen
Tagesdosis von fünf bis 15 mg sei mit einer ausreichenden Wirkung zu rechnen.
Dies ist ein Bericht. Ich wil mich deshalb bewertender Interpretationen enthalten,
zumal ich derzeit auf die Möglichkeit eines Brückenschlages zwischen jenen hoffe,
die in den Neuroleptika mit gewissen Einschränkungen eher einen Fluch sehen und
jenen, die sie, ebenfal s mit gewissen Einschränkungen, eher als Segen betrachten.
Allerdings zieht sich durch al e hier angesprochenen Publikationen das erkennbare
Bemühen, Neuroleptika im Bewusstsein ihrer unerwünschten Wirkungen nach
Risiko-Nutzen-Analyse indiziert und möglichst nebenwirkungsarm einzusetzen - das
heißt ebenso niedriger Dosis wie möglich. Allerdings hat sich die Einschätzung und
Bewertung von Risiken über die Jahrzehnte geändert. Anfangs standen die
extrapyramidal-motorischen Nebenwirkungen ganz im Vordergrund. Das hat sich mit
der Einführung des Leponex, auf das ich hier nicht eingegangen bin, schlagartig
Ein zentrales Problem der Dosisempfehlungen in al en diesen Lehrbüchern besteht
darin, dass sie sich einerseits auf Akutsituationen etwa mit psychomotorischen
Erregungszuständen beziehen (müssen), andererseits auf die Behandlung außerhalb
solcher Zustände im ambulanten oder stationären Raum. So kommen, wie etwa bei
Töl e, über die gesamten vier Jahrzehnte hinweg Empfehlungen zwischen drei und
Ein weiteres Problem besteht in der unterschiedlichen interindividuel en
Empfindlichkeit von eins zu 15, die von fast al en Autoren als Problem angesprochen
wird. Hinsichtlich der Depot-Behandlung, die hier ebenfal s nicht angesprochen wird,
hat sich die Einstel ung bei al en Autoren geändert. Das gilt auch für die Behandlung
bei Negativsymptomatik. Sie wäre angesichts der Tatsache, das es hier kaum mehr
Optimismus gibt, eine eigene Arbeit wert. Ähnliches gilt für die Kombination von
Neuroleptika. Während in früheren Jahrzehnten die Kombination von hoch potenten
und niederpotenten Substanzen eine Strategie zur Vermeidung von
extrapyramidalen Nebenwirkungen war, mahnen jetzt al e die Monotherapie an, wohl
wissend, dass der Alltag leider anders aussieht. Fast al e Autoren sind Kliniker. Ihr
Bild wird durch die Begegnung mit dem akut kranken Patienten auf der
geschlossenen Aufnahmestation geprägt. Daran mag es liegen, dass die ambulante
Perspektive außer im Zusammenhang mit der Rückfal sprophylaxe al gemein zu kurz
Zum Schluss ein Satz, den ich meinem Buch 1990 im Zusammenhang mit der
polemischen Diskussion darüber, ob Neuroleptika verboten werden sol ten, beigefügt
und bis heute so stehen lassen habe: Es »besteht Einigkeit darüber, dass eine
Schizophrenietherapie ohne den Einsatz von Psychopharmaka heute unter normalen
Bedingungen nicht möglich ist. Ich wil nicht sagen, dass die (Kranken) ohne
Medikamente nicht leben können oder dass die Symptome nicht ohne
medikamentöse Behandlung nicht oft auch abklingen. Aber bei einem Verzicht
darauf muss heute(soziale Desintegration) und unverhältnismässiges Leiden
Die »normalen Bedingungen« bedürfen natürlich der Qualifizierung ich. Sie sind
heute al es andere als angemessen. Aber die verantwortlichen Therapeuten müssen
mit diesen Bedingungen klar kommen. Dass sie aufgerufen sind, wo immer sie
können, zu deren Veränderung beizutragen, steht auf einem anderen Blatt.
Unabhängig davon bin ich überzeugt, dass die Autoren und Autorinnen der
genannten Publikationen – außer viel eicht Klaus Dörner und Ursula Plog - sich
darüber einig sind. Aber auch sie gegen Neuroleptika, nur mit noch mehr
Zeitgeist hin oder her, ich bin überrascht, wie geringe Schwankungen die
Empfehlungen zur Dosierung von Neuroleptika über die vergangenen vier
Jahrzehnte aufweisen. Alle Autoren halten sich im Rahmen. Die gefühlten
Veränderungen sind anders. Ich hatte mit sehr viel größeren Schwankungen
gerechnet, insbesondere mit zahlreicheren Empfehlungen, höher zu dosieren.
Zugegeben, in meisten Büchern gibt es Abschnitte zur Hochdosierung. Aber die
Autoren tun sich al e mehr oder weniger schwer damit.
Deshalb stel t sich die Frage, warum unsere Erfahrungen im therapeutischen Alltag
so anders sind, warum die vernünftigen Empfehlungen nicht eingehalten werden,
obwohl sie über lange Zeit und so konstant Lehrbuchwissen gewesen sind. Oder
sind unsere Vorstel ungen vom Alltag viel eicht zum negativ? Ich bin ziemlich sicher,
dass sie stimmig sind. Aber genau das lässt mich einigermaßen ratlos. Die Antwort
auf diese Frage ist der Schlüssel zu einer rationalen – und segensreichen –
Medikamentenbehandlung bei schizophrenen Psychosen. Ich weiss sie nicht.
Gewiss würde es sich lohnen, ihr nachzugehen – mit sozialwissenschaftlichen
Benkert, O, Hippius, H: Psychiatrische Pharmakotherapie, 1.-3- Auflage, 1974-1980; Kompendium der Psychiatrischen Pharmakotherapie, sechste Auflage 2007 Berger, M.: psychische Erkrankungen, 3. Auflage. Urban und Fischer 2009 DGSP: Memorandum der DGSP zur Anwendung von Antipsychotika. Köln: DGSP 2010 Dörner, K, Plog, U, C Tel er, F Wendt.: Irren ist menschlich, Neuausgabe. Psychiatrie-Verlag: Bonn 2002 Finzen A: Medikamentenbehandlung bei psychischen Störungen, 1-14. Auflage, 1979 bis 2004; in der Reihe Basiswissen 1-2 (14.-16.) Auflage, 2007-2009 Psychiatrie-Verlag: Bonn Gaebel, W, Müller-Spahn, F: in Diagnostik und Therapie psychischer Störungen. Kohlhammer: Stuttgart 2002 Greve, N, Osterfeld, M, Diekmann: Umgang mit Psychopharmaka. Ein Patienten-Ratgeber. Balance: Bonn 2005 Machleit, W, Bauer, M, Lamprecht, F, Rose, H K, Rohde-Dachser, C: Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie, 1-6 Aufl. 1973-1999; erste Auflagen: Bauer und andere; danach Kisker und andere. Thieme Verlag: Stuttgart Möl er, H J: Therapie psychischer Erkrankungen, 2. Auflage. Thieme Verlag: Stuttgart 2000 Töl e, R: Psychiatrie, 1-15 Aufl. 1971-2009; erste Auflagen Schulte und Töl e. Springer: Heidelberg Windgassen, K: Schizophreniebehandlung aus der Sicht der Patienten. Springer: Heidelberg 1989
Psicofármacos Tener conocimientos sobre psicofármacos es esencial a la hora de realizar un Proceso de atención de Enfermería, porque permite valorar tanto el efecto positivo, como los adversos en la administración de los mismos. Autor: Lic. en Enfermería Nélida Torres QUE ES UN PSICOTROPICO ? Es una sustancia química que ingerida modifica la conducta humana. QUE ES
Curriculum Vitae Dati anagrafici Nome: Calandra Michela Codice Fiscale: CLNMHL81D66C632T Formazione novembre 2010: conseguimento del MASTER di I livello in “SCIENZE TIFLOLOGICHE” presso l’Università Telematica “Leonardo Da Vinci” sezione dell’Università “G. d’Annunzio” di Chieti–Pescara con partecipazione a laboratori sul linguaggio del disabile de