Ist Erfolg planbar?Interview mit Frank Mantek, Sportdirektor und Bundestrainer imBundesverband Deutscher Gewichtheber (BVDG)
Herr Mantek, seit Ihrem Amtsantritt 1990 haben Sie viele erfolgreiche deutsche Gewichtheber betreut.
1990 sind wir unter meiner Leitung das erste
Weltmeisterschaft nach Budapest gefahren.
aber in den darauf folgenden 10 Jahren waren
es dann insgesamt 100 Medaillen, davon allein
33 Goldmedaillen bei Olympischen Spielen,
Welt- und Europameisterschaften der Männer.
Die größten Erfolge feierten wir in dieser Zeit
mit dem Olympiasieger von 1992 und mehrfa-chen Welt- und Europameister Ronny Weller.
Aber auch namhafte Größen wie Marc Huster,
Behm, Ingo Steinhöfel und Igor Sadykov tru-
gen zu dieser unglaublichen Erfolgsstory in der
3-mal Bronze), und stellten 15 Weltrekor-de auf. Ging die Erfolgsgeschichte weiter?
In dieser Form nicht. Im Zeitraum von 2002 bis
2007 waren die Erfolge deutlich rückläufig.
Spätestens mit den Olympischen Spielen in
Athen 2004, bei denen sich Ronny Weller auch
noch eine schwere Schulterverletzung zuzog,
tion Medaille“ und ihre jüngsten Erfolge.
endete diese Erfolgssträhne mit einer „Null-nummer“. Wie haben Sie als Trainer diese Zeit erlebt?
Die Zeit ohne Erfolge war schwer. Plötzlich
rer „Operation Medaille“ mit dem Motto:
klopfte einem niemand mehr auf die Schulter
„Jeder Tag zählt, wir schaffen das!“.
und ich kam in dieser Situation intensiv insGrübeln. Nun waren wir ein Verband ohne ak -
Wie kamen Sie auf die „Operation
tive Vorbilder und so konnte es nicht weiter -
Medaille“?
Wenn man im Leben etwas bewegen will,braucht man Ziele. Ein solches haben wir
Welche Maßnahmen haben Sie zur
gesucht und mit der erwähnten Kampagne für
Bewältigung der Krise im deutschen
unser Team gefunden. Mit dieser Maßnahme
Gewichtheben eingeleitet?
wollten wir neue Impulse setzen und unsere
Ganz am Anfang stand eine grundsätzliche Sportler und das gesamte Betreuer-Team in dieAnalyse aller abgelaufenen Prozesse. Dies be-
Pflicht nehmen. Am Anfang haben wir lange
traf sowohl den Bereich der Trainingsmethodik,
überlegt, ob wir damit an die Öffentlichkeit
viele Fragen der sportlichen Technik als auch
gehen sollen, zumal die Situation ja wirklich al-
den Bereich der Motivation aller Beteiligten.
Selbstverständlich analysierten wir auch, wel-ches Athleten- und Betreuungspersonal zur Ver-
Welches Ziel hat sich die „Operation
fügung stand und wie wir die weniger werden-
Medaille“ damals gesetzt?
den Finanzmittel optimal einsetzen konnten.
Wir hatten uns zum Ziel gesetzt, eine Medaille
In diesem Zusammenhang forcierten wir die
in Peking 2008 und zwei in London 2012 zu ge-
Zentralisierung der Athleten unserer National-
winnen. Wichtig war zu dem Zeitpunkt, die
mannschaft. D.h., ab 2005 wohnten und trai-
ganze Trainingsgruppe auf die „Operation
nierten grundsätzlich alle Kader ganzjährig in
Medaille“ einzuschwören. Uns war aber be
wusst, dass natürlich nicht jeder Athlet unseres
und unseren besten Athleten ein klares Ziel zu
Teams in der Lage war, eine Medaille zu holen.
geben, entstanden die Überlegungen zu unse-
Und genau so haben wir es ihnen erklärt. Jeder
Sportler im Team setzte sich das Ziel, sich für
Platz und befand sich gerade im Gewichtsklas-
Hier setzte Matthias eine weitere bemerkens-
die nächsten Olympischen Spiele zu qualifizie-
senwechsel zum Superschwergewicht. Er wog
werte „Duftmarke“ in Vorbereitung auf die
ren. Jene Sportler, die dieses Ziel erreicht hat-
damals gut 120 kg und war bis in die Haarspit-
Olympischen Spiele. In einem spektakulären
ten, sollten mit einer einstelligen Platzierung
zen motiviert. Ich spürte damals schon ganz
ihren Beitrag zur Kampagne leisten und Mat-
deutlich, dass er große Ziele hatte, und ver
die erfolgreiche Qualifikation weiterer Team-
thias Steiner sollte die Medaille holen.
sicherte ihm, ihn dabei mit meiner Erfahrung
mitglieder auf sehr hohem sportlichen Niveau
stattfand, riss er mit 201 kg eine neue Bestleis -
Was haben Sie „resistenten“ Athleten
tung und durchbrach mit 250 kg im beidarmi-
geantwortet? Welche entscheidenden Schritte gab es
gen Stoßen die fünf Zentner-Schallmauer. Die-
Wir mussten das gesamte Team von der „Ope-
auf dem Weg nach Peking 2008?
ser Event war sicherlich einer der besten natio-
ration Medaille“ überzeugen. Auch wenn Ge-
Matthias Steiner hat 3 Jahre lang mit unserer
nalen Wettkämpfe des BVDG. In der Euphorie
wichtheben eine Einzelsportart ist, arbeiten wir
Nationalmannschaft in Leimen trainiert und
machten wir aus der „Operation Medaille“ die
im Team, und damit wurde jedem Mitglied eine
durfte lediglich für seinen Verein, den AC Chem-
„Operation Goldmedaille“. Nun hatte unsere
eigene, die bereits geschilderte Rolle zuteil.
nitz, in der Bundesliga starten. Am 2.1.2008 be-
kam er den deutschen Pass und war überglück-
Wurde die „Operation Medaille“
lich, endlich offiziell dazu zu gehören. Seine
angenommen?
Einbürgerung hat dem gesamten Team einen
Dieser Prozess entwickelte sich anfangs relativ
unglaublichen Schub gegeben – der „Leader“
langsam. Durch das schrittweise Heranführen
Sportler des Jahres, gesellt sich nach dem
an diese Teamzielstellung und das ständige
Dann sind wir gleich für zwei Wochen nach Te-
Training zu uns. Er hatte spontan angeboten,
Wiederholen und Konfrontieren mit dem Logo,
neriffa ins Trainingslager gefahren und danach
sich mit uns zu unterhalten, und dieses Ange-
der Idee und deren Auswirkung begann eine
bot konnten wir natürlich nicht ablehnen.
schrittweise Identifikation mit dem Thema. Wobei der letzte Halbsatz: „Wir schaffen das!“
Herr Steiner (MS), vielen Dank, dass Sie
eigentlich der Entscheidende war. Er wurde zu
sich Zeit für ein Interview mit „Leistungs-
unserem Pseudonym und hat alle unsere Akti-
sport“ nehmen. Herr Mantek (FM) hat gerade beschrieben, wie Sie zum BVDG gestoßen sind. Warum kam es dazu? Gab es mit der „Operation Medaille“ MS: Im Vergleich zu den Verhältnissen in auch Veränderungen im Betreuer-Team?
Österreich gibt es hier profihaftere Strukturen.
Wenn wir Höchstleistungen von den Athleten
Dort gab es nur einen hauptamtlichen Trainer.
verlangen, müssen die Betreuer mitziehen und
Im BVDG hat Herr Mantek als Bundestrainer
sich durch absolute Loyalität und Fachkennt-
und Sportdirektor das Sagen und es kann nicht
nisse auszeichnen. Auf dieser Basis habe ich die
jeder hineinreden. Zu den Strukturen zählt
Betreuer ausgesucht oder ihnen Möglichkeiten
auch, dass wir jeden Tag massiert werden, eine
geboten, wichtige Erfahrungen bei großen Ver-
Sauna und eine Wanne benutzen können.
anstaltungen zu sammeln. Auch ein Betreuer-
Außerdem steht uns ein Arzt zur Verfügung,
Team muss auf seinen Auftritt, z.B. bei Olym -
wenn wir mal eine Verletzung haben oder eine
pischen Spielen, vorbereitet werden. Ich den-
Untersuchung ansteht. Früher musste ich mich
ke, dass uns dies gemeinsam sehr gut gelun-
direkt zum vorolympischen Turnier nach Pe-
um all diese Dinge selbst kümmern, während
king. Dort errang er den ersten internationalen
ich heutzutage perfekte Bedingungen habe.
Erfolg für unser Land, lernte alle Trainings- und
Sie haben von Vorbildern gesprochen.
Wettkampfstätten kennen und hörte zum ers -
Welche Aspekte standen bei Ihrer Wie haben Sie diese sichtbar gemacht?
ten Mal die deutsche Hymne bei der Sieger -
Entwicklung zum Weltklasse-Gewicht -
Ein Teil der „Operation Medaille“ war, im Ver-
heber im Vordergrund?
lauf der Kampagne Vorbilder zu schaffen. An-
MS: Am Anfang, als ich nach Deutschland kam,
fangs regelten wir dies über die unterschied -
Wie verliefen die nächsten
war meine Technik, ich will es mal so aus-
liche Kleidung der Nationalmannschaften im
Wettkämpfe auf dem Weg zu den
drücken, noch rustikal. Bei mir hatte man alles
Erwachsenen- und Nachwuchsbereich. Später
Olympischen Spielen?
über die Kraft gemacht, weil ich eben ein star-
gelang es uns durch die immer besser werden-
Es folgten die Europameisterschaften – ein
ker Typ bin und eine gute Kraftentwicklung ha-
den Platzierungen bei internationalen Meister-
Schlüsselerlebnis: Matthias riss zum ersten Mal
be. Auf die Dauer geht das aber zu Lasten der
schaften, welche mit dem Europameistertitel
200 kg, stieß 246 kg und überraschte mich und
Gesundheit und irgendwann stößt man an sei-
von Matthias Steiner – bei seinem ersten inter-
die gesamte Konkurrenz mit diesen Leistun-
ne Grenzen. Daher haben wir sehr viel und be-
nationalen Wettkampf für Deutschland im April
gen. Er wurde Europameister im Reißen, Drit-
2008 – ihren ersten großen Höhepunkt hatten.
ter im Stoßen und Vize-Europameister im olym-pischen Zweikampf.
Gab es im Zuge der „Operation Wann und wie stieß Matthias Steiner zu
Nun kannten ihn seine unmittelbaren Konkur-
Medaille“ Veränderungen in der der „Operation Medaille“ dazu?
renten und wussten, dass mit ihm in Peking un-
Trainingsplanung?
Im Grunde war Matthias Steiner von Anfang an
ter allen Umständen zu rechnen sein würde. Da
FM: Nach einer ersten Phase, die durch ein ho-
dabei. Im Frühjahr 2005 wurde mir mitgeteilt,
sein Auftreten bei diesen Europameisterschaf-
hes Umfangstraining geprägt war, haben wir
dass Matthias die Absicht hat, für Deutschland
ten insbesondere im technischen Bereich von
das Gesamttrainingssystem schrittweise um-
zu starten, was er mir kurze Zeit später in un-
einer unglaublichen Perfektion und Leichtigkeit
gestellt, trainierten weniger, dafür qualitativ
serer Verbandszentrale in Leimen auch persön-
geprägt war, konnten seine Gegner nur ahnen,
hochwertiger, und erhielten dadurch mehr Re-
wozu er in Peking 19 Wochen später in der La-
MS: Es kann sein, dass man durch mehr Welches Leistungsniveau hatte Matthias
Training Zeit verliert. Wenn man über einen
Steiner zu dieser Zeit? Gab es noch einen Wettkampf vor Peking?
gewissen Punkt geht, verletzt man sich eher
Matthias belegte bei den Olympischen Spielen
Drei Monate später, am 5.7.2008, fand die letz-
und stärker und verliert dadurch im Endeffekt
2004 in der Gewichtsklasse bis 105 kg den 7.
te Olympiaqualifikation in Heidelberg statt. Kann man den Trainingsumfang beziffern?
Male durchgesprochen. Auch das war Bestand-
Am Ende des Wettkampfs wurde Ihr FM: Früher hatten wir Wochen, in denen wir
teil der „Operation Medaille“. Wobei unsere
Traum Wirklichkeit .
Traumvorstellung war, dass wir bereits Silber
MS: Vor dem letzten Versuch wusste ich, dass
Wochenlast von über 100 Tonnen trainierten.
haben und Matthias mit seinem letzten Versuch
der Russe und der Lette fertig waren und damit
Später wurden diese kontinuierlich quasi hal-
war klar „ jetzt hab ich‘s in der Hand“. Da habe
biert, wobei die Tonnenlast nur um ca. ein Vier-
ich überhaupt nicht mehr daran gedacht, ob
tel reduziert wurde. Das selbe trifft auf die An-
Was bedeutet „unsere Traumvorstellung“?
das jetzt 10 kg mehr sind oder nicht, sondern
zahl der Trainingseinheiten zu, die von in der
MS: Wir haben uns oft den Verlauf des Wett-
„das schaffe ich!“. Ich habe Gold geholt und
Spitze 12 Einheiten pro Woche auf nachher 7
kampfs vorgestellt – so gesehen, war der Sieg
bis 8 reduziert wurden. Im Schwerpunkt haben
geplant. Nur gibt es im Gewichtheben ein Prob -
FM: Ja, das war auch das schönste Erlebnis in
wir darauf geachtet, dass neben einer fortlau-
lem: Man kann nicht wissen, mit welchem Ge-
meinem Leben. Nur für den Gegner ist die
fenden akribischen Technikverbesserung die
wicht man Olympia-Sieger wird. D.h., man weiß
Situation schlimm. Diese Kehrseite der Medail-
wichtigen Übungen mit dem höchsten Wir-
nicht, ob 460 kg reichen oder ob man schließ-
le habe ich erlebt, als Ronnie Weller bei den
lich 465 kg zum Sieg braucht – das ist nicht
Olympischen Spielen Atlanta 1996 auf die selbe
Wie viel Mitspracherecht haben Sie, Herr Steiner, bei der Trainings- und Mit welcher Einstellung sind Sie an diese Lassen Sie uns kurz zurückblenden: Wettkampfplanung? Unwägbarkeiten herangegangen? Olympische Spiele, 10.000 Athleten, MS: Ich habe sehr viel Mitspracherecht. Zwar MS: Ich wäre an jede Last gegangen; ob ich es täglich hunderttausende Zuschauer,
muss jeder gewisse Regeln befolgen, z.B.
geschafft hätte, ist eine andere Frage. Beim
Presse, Medien – die ganze Welt blickt
pünktlich ins Training kommen und ordentlich
letzten Versuch bei Olympia hätte ich alles ver-
nach Peking. Wie kann man sich da vorbereiten und auf seine Sache fokus- FM: … ein mündiger Athlet braucht grundsätz-
lich Mitspracherecht, denn wir müssen ihn zur
MS: Ich war schon 2004 in Athen und habe die-
Selbstständigkeit erziehen. Ich frage meine
se Dimensionen erlebt. Es ist auf jeden Fall von
Sportler sehr oft nach ihrer Meinung, denn ich
Vorteil, diese Erfahrungen bei Olympischen
brauche Feedback, wie sich die Maßnahmen
Spielen gemacht zu haben. Wichtig war auch,
auf ihr Training und ihr Wohlbefinden auswir-
im Januar beim vorolympischen Turnier zu star-
ken. Wenn ich z.B. merke „heute geht es nicht“,
ten. Da haben wir die örtlichen Gegebenheiten
ist es durchaus möglich, dass wir das Training
und die Trainingshalle kennen gelernt. Ich
kannte die Wege, wusste, worauf ich achten
musste, und wie die Dinge in China ablaufen.
wir müssen ihn zur Selbstständigkeit er-
Die Athleten haben Mitspracherecht und Kann sich ein Einzelsportler vor lauter der Trainer unterstützt Veränderungen . Athleten und neuen Eindrücken im MS: . die Eigenschaft, zu Fehlern zu stehen, olympischen Dorf nicht verlieren?
sich und seine Arbeit zu hinterfragen und auf
MS: Obwohl es eine Einzelsportart ist, sind wir
andere Menschen zu hören, schätze ich sehr an
als Mannschaft – mit vier Männern, einer Frau
Herrn Mantek. Daraus schöpfe ich das Vertrau-
und dem Betreuerteam – aufgetreten. Da geht
en zu ihm und weiß: „O.K., mit ihm kann ich
reden und er lernt auch aus seinen Fehlern“.
und das vermittelt einem ein Gefühl von Stär-ke.
Das hört sich an wie ein lernendes
sucht. Mit dem Kopf gehe ich so an die Sache,
FM:Auch in dieser Beziehung hatten wir vorge- Sys tem, das sich gegenseitig weiter -
dass ich mir sage, ich schaffe das, egal was
sorgt und einen Internet-Anschluss ins Zimmer
entwickelt.
legen lassen. Mir war wichtig, dass die Jungs
MS: Es zeichnet ihn als Trainer aus, dass er sich
sich beschäftigen und zurückziehen können.
trotz aller Erfahrung und Erfolge fortlaufend
Woher kommt diese Entschlossenheit?
Auch dies war Teil unserer strategischen Pla-
MS: Seit Beginn unserer Zusammenarbeit hat FM: . deshalb mache ich mir derzeit große
der „Chef“ immer wieder gesagt: „Es gibt in
Gedanken, wie es mit Matthias in der Gesamt-
Deinem Leben nur zwei, drei oder höchstens
Die Vorbereitungen auf die Olympischen
vorbereitung bis 2012 weitergehen soll. Wenn
vier wichtige Wettkämpfe, die musst Du ma-
Spiele Peking 2008 liefen perfekt. Kann
ein System nicht mehr dazu lernt, wird es ge-
chen. Ein bestimmter Moment oder ein einzi-
man sie auch für London 2012 anwenden?
schlagen. Das ist die Kunst im Trainerberuf,
ger Versuch kann über Dein ganzes Leben ent-
MS: Zum einen ist es bis London 2012 noch
vielleicht sogar im Leben, sich Weiterentwick-
scheiden und das zeichnet Dich als Weltklasse-
lange hin und zum anderen werden wir in den
acht Monaten davor – von Januar bis August –nie und nimmer die selbe Situation durchleben
Sie haben von Trainingsplanung und Das heißt, Sie haben Olympia als
wie jetzt. Vom Training, den Wettkämpfen und
Höhepunkten gesprochen. War Peking ein malige Chance gesehen. Was be - 2008 ein „geplanter“ Olympia-Sieg? deutet es Ihnen, dort auf die Bühne zu
2008 einzigartig. Sicher können wir von den Er-
MS: Der Weg zum Top-Niveau ist lang und
fahrungen profitieren und sie in die nächste
man muss differenzieren. Vor drei Jahren hat-
MS: Ja, das war der besagte Moment und mei-
Vorbereitungsphase einfließen lassen, aber es
ten wir keinen Olympia-Sieg auf der Rechnung.
Wir wollten eine Medaille gewinnen. Erst spä-
Als ich dort auf die Bühne ging, wusste ich,
FM: . den Steiner, den es vor Olympia 2008
ter, als die Leistungsentwicklung schneller vor-
dass die Kameras an sind und viele Tausend Zu-
gab, gibt’s schon heute nicht mehr. Er ist eine
anging, als wir es uns vorgestellt hatten, wur-
schauer mich beobachten. Von diesem Gefühl
andere Persönlichkeit geworden und es prägen
de der Olympia-Sieg mein Ziel und Traum zu-
kriege ich nicht genug, da läuft mir ein Schau-
ihn jetzt auch andere Dinge. Übrigens hat das
er über den Rücken, bekomme ich Gänsehaut.
Interesse nach Peking Dimensionen erreicht,
FM: Wir haben oft über diesen Wettkampf sin-
Das ist ein ganz starkes Gefühl, das gibt einem
die ich so nicht kannte. Wie wir mit dieser neu-
niert und alle möglichen Varianten unzählige
en Situation, seinem Status in der Öffentlich-
keit umgehen sollen, weiß ich noch nicht. Dasmüssen wir noch überlegen und in die langfris -tige Planung einfließen lassen.
Ja, es ist sicher schwierig, die richtige Mischung zwischen öffentlicher Vermark- tung und ernsthaftem Training zu finden. Wie wollen Sie weiter verfahren? MS: Herr Mantek hat mich in letzter Zeit mehr- fach sehr direkt gefragt: „Willst Du weiter ma- chen?“. Die Frage muss man schon stellen, aber weitermachen will ich auf jeden Fall, das haben wir schon entschieden. Mein Leben war in den letzten Monaten sehr schön, ich habe viele neue Eindrücke gewon- nen. Aber die öffentlichen Auftritte werde ich ab Anfang 2009 reduzieren, damit ich mich auf den Sport konzentrieren kann. Denn ich ge- nieße es einfach, in der Halle zu stehen, keinen um mich zu haben, richtig zu schwitzen und zu wissen, wofür ich trainiere . Das waren sehr interessante Erlebnisse und prägnante Schilderungen aus Ihrem Sportlerleben, Herr Steiner. Wir wünschen Ihnen alles Gute auf Ihrem weiteren sportlichen und persönlichen Weg! Herr Mantek, lassen Sie uns weiter über die Trainingsbedingungen und -planungen der Gewichtheber reden.
Zu den Rahmenbedingungen im Bundesver-band Deutscher Gewichtheber gehört, dass alleAthleten der Sportfördergruppe in Bruchsal an-gehören und trainingstechnisch in Leimen zen-tralisiert sind. Im Gewichtheben kann mansehr detailliert planen, weshalb wir die Haupt-wettkämpfe für die nächsten vier Jahre und diekleineren Wettkämpfe bereits grob festgelegthaben. Matthias wird sich auf die großen Wett-kämpfe konzentrieren, weil er als Superschwer-gewichtler einerseits intensivere Vorbereitun-gen durchläuft und andererseits mehr Regene-ration braucht.
Sie kooperieren mit dem IAT Leipzig. Worum geht es bei der Zusammenarbeit?
Wir haben eine sehr intensive Kooperation mitdem IAT Leipzig. Dort sind Holger Jentsch undDr. Jürgen Lippmann ständige Ansprechpartner,die unsere Arbeit wissenschaftlich begleiten. Speziell für das Gewichtheben haben wir zweiProgramme mit dem IAT entwickelt, die wert-
voller Bestandteil der Trainingsarbeit sind: einVideoanalyseprogramm und die Trainingspla-
Wie funktioniert die Videoanalyse?
Mit unserem Videoanalyse-Programm zeichnen
wir die Versuche im Training und Wettkampf
auf. Anhand der Aufzeichnungen bekommen wir
in Sekundenschnelle sämtliche Parameter, die
wir für die Auswertung brauchen. Beispielswei-se sehen wir anhand der so genannten „Orts-kurve“, welchen Weg die Hantel bei einem Ver-
Szenen des Erfolgs: Mit 461 kg (203 kg Reißen/258 kg Stoßen) erfüllt Matthias Steiner
sich und dem gesamten Team den Traum von der olympischen Goldmedaille.
Kraftverlauf, Geschwindigkeiten und Brems
kräfte während des Versuchs aufgezeichnet.
ebenso wie bei der Verbesserung von techni-
tungsniveau sein. Das betrifft nicht nur die
Mit Hilfe dieser Informationen können wir prä-
schen Abläufen. Diese Leistungen – seien sie
Wettkampf-, sondern auch die wichtigs ten Zu-
zise Korrekturen durchführen und an der opti-
theoretisch bei der Entwicklung der Program-
bringerübungen. D.h., anhand der Werte bei
me oder praktisch bei der Trainingssteuerung –
den Kniebeugen, in den Zügen und im Aus-
waren u. a. ein ganz wichtiger Bestandteil un-
stoßen können wir feststellen, ob unser Plan
Welche Technikteile sind entscheidend
serer Olympia-Vorbereitung. Die beiden IAT-
für einen sauberen Versuch?
Wissenschaftler gehören neben meinem Co-
Schon kurz nach dem Abheben aus der Start -
Trainer Michael Vater, dem Physiotherapeuten
stoßen soll, muss er zu einem bestimmten
position weiß ich als Trainer zu 90 Prozent, ob
Damiano Belvedere und dem Verbandsarzt Zeitpunkt in der Lage sein, mit 300 kg drei
der Versuch gut oder schlecht wird. Wenn die
Dr. Bernd Dörr zu meinem engsten Berater- und
Knie beugen zu machen. Diese Voraussetzungen
Hantel 5 cm über dem Boden ist, merke ich das
und Fähigkeiten bilden die Basis für das Bewäl-
am Knie- und Hüftwinkel, am Stand der Schul-
tigen einer Ziellast im Wettkampf. Aufgrund
ter und daran, ob und wie das Gesäß „kippt“. Und was kann das zweite Programm?
Alle diese Anhaltspunkte spielen für die so Dieses benötigen wir vordergründig für diegenannte Parallelverschiebung während der
Auswertung der täglichen und wöchentlichen
Bisher haben wir viel über Training,
Trainingsübungen hinsichtlich solcher Parame-
Planung und Vorbereitung gesprochen.
ter wie Umfang, Intensität, Lasten der einzel-
Welche Rolle spielt die Persönlichkeit
nen Trainingsübungen und Gesamtlasten. Mit
Ihrer Sportler in diesem Rahmen? Kann man das nicht einfach so sehen?
Hilfe dieses Programms können wir einzelne –
Auch hier habe ich dazugelernt. Bis vor weni-
Die Bewegung ist so schnell und komplex, dass
in der Regel 16-wöchige – Vorbereitungszyklen
gen Jahren war ich ein Anhänger gruppendyna-
man die Feinheiten selbst als erfahrener Trainer
mischer Prozesse, habe aber in meiner Ent-
nicht mit bloßem Auge sehen kann. Aus diesem
wicklung als Trainer immer mehr festgestellt,
Grund wenden junge Trainer diese Kamera auch
dass man die Athleten noch individueller an-
viel öfter an als ich. Wenn ich neue Athleten be-
Ein effektives Hilfsmittel wurde uns mit dem so
schaue mir mit meinem Kollegen alles ganz ge-
genannten Reiss-Profile zur Verfügung gestellt.
nau, oft 100-fach, an, um festzulegen, wo man
Mit Hilfe unseres Persönlichkeitstrainers Peter
bei der Verbesserung bestimmter Parameter
Boltersdorf wurden die Ergebnisse des Frage-
bogens ausgewertet und mit jedem Athleten in-
dividuell besprochen. Durch das Wissen über
Können Sie diese Videoanalysen überall
die individuelle Lebensmotivausprägung unse-
vornehmen?
„Ich bin nach nun fast 20-jähriger Er-
rer Athleten sind wir in die Lage, die Ansprache
Ja, das System ist sehr flexibel anwendbar:
und Steuerung im Training, Wettkampf und in
Wir positionieren eine Videokamera im 45-
Grad-Winkel zum Sportler. Die Kalibrierung er-
folgt über die äußere Hantelscheibe und da-
Sie sind ein erfahrener Trainer, aber Sie
durch erhalten wir alle relevanten Parameter
scheinen ein gehöriges Maß an Wiss -
bzw. Daten. Diese Technik ist einmalig auf der
begier und Lust auf Weiterentwicklung zu
vergleichen. Dadurch sind wir in der Lage, un-
Als Trainer versuche ich mich ständig weiterzu-
Auf welche Parameter achten Sie noch?
ser „lernendes System“ ständig fortzuschrei-
bilden und interessiere mich deshalb für viele
Wichtige Größen in unserer Sportart sind u.a.
ben. Mit diesem System haben wir alle vier
Entwicklungsprozesse. Es ist doch herrlich,
die maximale Zughöhe der Hantel, die Ge-
Bundesstützpunkte innerhalb unseres Verban-
einen Menschen zu seiner individuellen Höchst -
schwindigkeiten während der einzelnen Zug
des vernetzt und sind daher in der Lage, das
leistung zu führen. Voraussetzung ist, dass die
bewegungen, verschiedene Bremskräfte und
Training aller wichtigen Athleten wöchentlich
Zusammenarbeit zwischen Athleten und Trainer
zu sichten und gegebenenfalls sehr zeitnah in
optimal klappt. Dazu brauche ich ein Team um
mich herum, das funktioniert, damit wir aus
Wie verläuft eine optimale Bewegung?
dem „Produkt Athlet“ das Optimum heraus
Grundsätzlich muss man versuchen, die Hantel
Wie setzen Sie das Programm in der
holen zu können. Ich bin nach nun fast 20-
im Körperschwerpunkt zu bewegen. Dabei ist
langfristigen Trainingsplanung ein?
jähriger Erfahrung im Hochleistungssport der
darauf zu achten, dass die Körperwinkel in den
Durch eine detaillierte langfristige Planung
Überzeugung, dass Erfolg unter bestimmten
(tägliche Trainingsübung mit Umfang und In-
stellt sind. Die Symbiose von Kraft, Schnellig-
tensität) sind wir in der Lage, Vorbereitungen
keit und Präzision der Bewegungen muss einer-
und deren Verlauf so zu gestalten, dass eine
Vielen Dank für das ausführliche
seits auf das Genaueste automatisiert sein und
Gespräch über die Geschichte des
andererseits unter größtem Druck abrufbar
realistisch vorausgesagt werden kann. Dies
Deutschen Gewichthebens. Wir wün-
bleiben. Der Athlet muss sein Sportgerät in
funktioniert selbstverständlich nur unter der
schen Ihnen und Ihrem Team alles
Bruchteilen von Sekunden ständig unter Kont -
Voraussetzung, dass die Vorbereitung auf einen
Gute und viel Erfolg bei den nächsten
rolle haben. Körper und Geist bestimmt den
„Operationen“.
größere äußere Störfaktoren funktioniert.
Wie ist die Zusammenarbeit mit dem IAT Können Sie kontrollieren, ob ein Sportler Leipzig organisiert und wer gehört noch „im Plan“ liegt? zu ihrem Betreuungsteam?
Dazu bin ich nach Kenntnis aller Trainingspara-
Unsere Ansprechpartner kommen zu uns, sie
meter jederzeit in der Lage. Wenn Matthias bei-
sind ständiger Bestandteil des Teams und be-
spielsweise in der 14. Kalenderwoche 200 kg
Eva PFAFF ist Diplom-Psychologin und DTB-A-Trainerin. Von
gleiten uns sowohl im Training als auch im
reißen und 250 kg stoßen soll, dann muss er in
1980-1993 spielte sie als Tennisprofi auf der WTA-Tour.
Wettkampf. Sie helfen bei der Analyse der
der 10. Kalenderwoche in den Haupttrainings -
Anschrift: Eva Pfaff, Friedrich-Ebert-Str. 8, 61462 Königstein
wöchentlich absolvierten Trainingsübungen
E-Mail: eva-pfaff@web.de; www.eva-pfaff.de
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