Aspirin, krÄutertee und medizinmann - was und wer hilft in der minahasa, wenn man krank ist
ASPIRIN, KRÄUTERTEE UND MEDIZINMANN - WAS UND WER HILFT IN DER MINAHASA, WENN MAN KRANK IST ?
Bapak –Bapak, Ibu – Ibu yang terhormat / Liebe Schwestern und Brüder, selamat siang. Ich freue mich sehr, dass ich heute unter Ihnen sein und mich mit Ihnen über meine Erfahrungen und Gedanken zum Gesund- und Kranksein in der Minahasa austauschen darf und bedanke mich herzlich für die Einladung.
Meinen Ausführungen voraus schicken möchte ich die Bemerkung, dass ich seit 10 Jahren zurück in der Schweiz bin und das, was ich Ihnen heute erzähle auf meinen Erfahrungen zwischen 1984 und 2002 basiert.
Aspirin, Kräutertee und Medizinmann – was und wer hilft in der Minahasa, wenn man krank ist ? Dieser Titel deutet darauf hin, dass die Möglichkeiten zur Gesundheitsversorgung in der Minahasa vielfältig sind. Die Vielfalt der ‚Gesundheitsanbieter’ werde ich zuerst erläutern und dann aufzeigen, wann und weshalb die Leute in der Minahasa von welchem Anbieter Gebrauch machen. nbieter von Gesundheitsdiensten Anbieter im biomedizinischen Bereich Der Gesundheitsdienst der Evangelischen Kirche in der Minahasa (GMIM) 1984 wurde ich von der Schweizerischen Ostasienmission (SOAM) als ökumenische Mitarbeiterin in die Evangelische Kirche in der Minahasa (GMIM) ausgesandt. Die damalige GMIM – Gesundheitsstiftung hatte die SOAM angefragt für eine Apothekerin, da ein neues Gesetz in Indonesien verlangte, dass in jedem Krankenhaus mit mehr als 150 Betten ein/e diplomierte/r ApothekerIn der Krankenhausapotheke vorstehen müsse. Zur Erfül ung dieses Gesetzes gab es damals aber noch viel zu wenige ApothekerInnen in Indonesien, da das Pharmaziestudium erst an drei Universitäten im ganzen Land angeboten wurde.
Meine erste Hauptaufgabe war also die Leitung der Apotheke im Bethesda – Krankenhaus in Tomohon, das diejenigen unter Ihnen, die schon in der Minahasa waren, bestimmt kennen. Das Bethesda – Krankenhaus hat 250 Betten, die vier Spezialabteilungen, innere Medizin, Chirurgie, Pädiatrie und Gynäkologie, sowie eine Intensivstation, eine Notfal aufnahme, einen regen Poliklinikbetrieb, Laboratorium, Physiotherapie, Sozial- und Pastoraldienst. Weitere Fachärzte, wie Augen-, Ohren-, Hautspezialisten u.a. kommen regelmässig von Manado und halten Sprechstunde. Die Apotheke war einerseits für die Versorgung der hospitalisierten Patienten mit Medikamenten und medizinischem Material verantwortlich, sowie für die Medikamentenabgabe an die täglich 200 – 300 Poliklinikpatienten, die mit einem Rezept in die Apotheke kamen. Ohne auf die komplexe Arbeit in der Krankenhausapotheke einzugehen möchte ich drei Punkte hervorheben:
1. Ich war erstaunt über das grosse und vielfältige Angebot an Medikamenten und lernte bald,
dass es in Indonesien ca. 300 Pharmakonzerne gibt, darunter viele multinationale aus Europa, Amerika, Japan, Südkorea etc., praktisch al e lokalisiert auf Java. Wir konnten die Medikamente in Manado bei Pharmagrossisten beziehen. Natürlich gab es immer wieder Engpässe in der Versorgung; aber im Grossen und Ganzen war sie erstaunlich gut.
2. Das Problem waren und sind heute noch die Medikamentenpreise, die im Vergleich zu den
Einkommen sehr hoch waren /sind. Krankenkassen gab es nur für Staatspersonal und Angestel te von Privatfirmen. Bauern, Handwerker, Fischer etc., die den Grossteil der Bevölkerung ausmachen, mussten die Spitalrechnung selbst berappen, was eine grosse Belastung für die ganze Familie darstel te. 10 – 15% der Patienten konnten die Rechnung nach einem Krankenhausaufenthalt nicht bezahlen, eine enorme Belastung auch für ein Krankenhaus, das selbsttragend arbeiten muss, d.h. ohne Subventionen vom Staat oder aus dem Ausland.
Jeden Tag erlebte ich in der Apotheke, dass Patienten nicht genügend Geld hatten, um die verordneten Medikamente zu kaufen. „Kann ich nur die Hälfte nehmen?“ wurde oft gefragt, und uns stel te sich die Frage, ob so die Therapie überhaupt noch Sinn macht, z.B. wenn
Antibiotika nur für zwei anstatt fünf Tage genommen werden. Wir mussten nach Lösungen suchen.
3. Oft kamen die Leute spät, oder gar zu spät ins Krankenhaus, meist weil sie die hohen Kosten
fürchteten, weil sie den weiten und oft beschwerlichen Weg scheuchten, oder auch weil der Ernst der Krankheit nicht erkannt wurde.
Der GMIM – Gesundheitsdienst wurde durch die Missionare im 19. und anfangs 20. Jahrhundert aufgebaut und von der GMIM nach ihrer Loslösung von der hol ändischen Mutterkirche 1934 weiter ausgebaut und entwickelt. Dieser Gesundheitsdienst bildet ein Netz über die ganze Minahasa mit den fünf Krankenhäusern und zahlreichen Geburts- und Dorfkliniken. Bis Ende der 70er Jahre wurden praktisch nur kurative Dienste angeboten. Dann wurde erkannt, dass sich der Gesundheitszustand der Bevölkerung dadurch nicht bessert, wenn gleichzeitig die Hygiene und Ernährung mangelhaft sind und kein sauberes Wasser zur Verfügung steht. Der Slogan ‚ Hospitals without wal s’ kam auf, was nichts anderes bedeutete als: Hinausgehen in die Dörfer und zusammen mit der Bevölkerung Massnahmen zur Gesundheitsförderung und Krankheitsvorbeugung zu planen und durchzuführen. In den GMIM- Krankenhäusern in Tomohon, Manado und Amurang wurden Teams gebildet, die Freiwil ige, sogenannte ‚kader kesehatan’ aus den Dörfern ausbildeten in gesunder Ernährung, Bau von einfachen WCs, Übertragung und Vorbeugung von Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose, Typhus u.a., in der Behandlung von al täglichen Gesundheitsbeschwerden etc. Die Gesundheitsversorgung wurde durch die PKMD (Pembangunan Kesehatan Masyarakat Desa) / PHC (Primary Health Care) in die Dörfer gebracht; dabei spielte die GMIM eine Pionierrol e.
Auch die katholische Kirche gehört zu den Anbietern von Gesundheitsdiensten, vorwiegend im kurativen Bereich, u.a. mit dem ‚Gunung Maria’ Krankenhaus in Tomohon. Der staatliche Gesundheitsdienst Die indonesische Regierung hat seit der Unabhängigkeit 1945 grosse Anstrengungen zum Aufbau und der Entwicklung einer flächendeckenden Gesundheitsversorgung im ganzen Land unternommen. In den letzten zwei Jahrzehnten war diese Entwicklung rasant; in der Minahasa übernahm der Staat mehr und mehr Aufgaben, die zuvor in der Verantwortung der kirchlichen Gesundheitsdienste lagen. Letztes Jahr konnte ich mit Erstaunen feststel en, dass in der Minahasa schon viele Dörfer über ein Gesundheitszentrum mit Arzt, Hebamme und Krankenschwestern verfügen, wo einerseits kranke Menschen behandelt, andererseits auch Veranstaltungen zur Krankheitsvorsorge und Gesundheitsförderung angeboten werden. Al e Dörfer, auch die abgelegenen sol ten mindestens 1x pro Monat von einem Team eines staatlichen Gesundheitszentrums besucht werden.
In Manado ist die Anzahl privater und staatlicher Krankenhäuser in den letzten 10 Jahren stark angewachsen und damit auch die Konkurrenz.
Der Dorfladen – Kiosk – ‚Warung’ In vielen kleinen Läden oder Kiosken, sogenannten ‚Warung’, die Kaffee, Zucker, Zigaretten, Süsswaren, Waschmittel etc. anbieten, werden auch Medikamente verkauft. Vor al em in abgelegenen Dörfern ersetzen sie quasi die Apotheke als Folge der medizinischen Unterversorgung. Das oft vielfältige Angebot, das die Bedürfnisse der Bevölkerung widerspiegelt, umfasst Mittel gegen Schmerzen und Fieber, Malaria, Husten und Erkältungen, Magendarmbeschwerden, Hautleiden etc. Oft finden sich jedoch auch Antibiotika und kortisonhaltige Schmerzmittel, die, falsch eingenommen, mehr schaden als nützen. Die VerkäuferInnen haben kein Wissen über die richtige Anwendung, erwünschte und un- Wirkungen, Dosierung sowie über die korrekte Lagerung der von ihnen angebotenen Medikamente.
Soviel zum biomedizinischen Angebot, das sich in den letzten Jahren stark entwickelt und an Bedeutung gewonnen hat. Anbieter im nicht biomedizinischen Bereich Das ‚traditionelle’ Gesundheitssystem’ (ich nenne es der Einfachheit halber ‚traditionel ’ auch wenn dieser Ausdruck viel eicht wissenschaftlich nicht ganz korrekt ist.)
Krankheiten und Störungen des Wohlbefindens gehören seit jeher zum Menschen. Deshalb hat jeder Stamm, jedes Volk ein eigenes Gesundheitssystem entsprechend seinem ‚Weltbild’ entwickelt, so auch in der Minahasa.
Vor der Missionierung war das Heilen von Krankheiten in der Minahasa in der damaligen Religion, genannt ‚agama Alifuru’, verankert und Aufgabe der Priester und Priesterinnen (genannt ‚tonaas’). Mit der Verkündigung der ‚Frohen Botschaft’ durch die Missionare wurde die ursprüngliche Religion mit ihren Riten und Heilungen, inkl. der Anwendung von Heilkräutern verdrängt, ja verboten. Westliche Schulmedizin sol te die heidnischen und dämonischen Rituale und die Heilkräuter ersetzen. Durch zahlreiche Gespräche mit Patientinnen und Leuten in den Dörfern wurde mir bald bewusst, dass das ‚traditionel e’ Heilsystem nicht verschwunden, sondern neben dem biomedizinischen, weiterhin von Bedeutung ist für die Bevölkerung und rege genutzt wird.
Ich lernte viele, vorwiegend ältere Menschen kennen mit grossen Kenntnissen über die Anwendung von lokalen Heilpflanzen. Hausmittel aus Kräutern gegen al tägliche Gesundheitsbeschwerden kennen viele Menschen in der Minahasa. Sie wurden stark verdrängt durch die Verbreitung von modernen Medikamenten, für die enorm Werbung gemacht wurde. Voral em die jungen Leute wol en modern und, wie sie selbst sagten, einwenig ‚gengsi’, d.h. eitel sein und sich nicht mehr mit Kräutern abplagen. Das empfinden sie als zu mühsam und altmodisch. Mit der Zeit lernte ich auch, dass es in jedem Dorf (auch in der Stadt) verschiedene Heiler und Heilerinnen, sogenannte ‚Dukun’ oder ‚Battra = Pengobat tradisional’ gibt, die für die Dorfbevölkerung wichtige Ansprechpersonen in Gesundheits- und auch Lebensfragen sind. Da sind z.B. die Dorfhebammen, die Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt und nachher begleiten. Dann gibt’s Spezialisten für Knochenbrüche und andere Verletzungen, Heilkräuterkundige und HeilerInnen, die vor al em mit und durch die Kraft der Ahnen, in der Minahasa ‚Opo – Opo’ genannt, arbeiten. Al e diese HeilerInnen haben ihr Wissen nicht in einer Schule erworben, sondern entweder von ihren Eltern, Grosseltern oder anderen Verwandten oder sie wurden dazu berufen durch Träume, Visionen oder aber durch ein schwerwiegendes Erlebnis, wie z.B. den plötzliche Tod eines Kindes oder das Überleben einer schweren Krankheit. Al e ‚Dukun’, die ich kennen gelernt habe, sind Christen. (Auf diese Heilkundigen werde ich später nochmals zurückkommen.)
Als Apothekerin interessierte mich vor al em die Frage, welche natürlichen Ressourcen, insbesondere Heilkräuter, sind vorhanden, die zur Behandlung von Gesundheitsbeschwerden eingesetzt werden und wie werden sie verwendet. Zusammen mit ebenfal s an diesem Thema interessierten Mitarbeitenden des Gesundheitsdienstes nahmen wir Kontakt zu bekannten Heilkräuterkundigen auf und waren erstaunt über die Anzahl und den grossen Wissensschatz. Da ging es in erster Linie ums Schaffen von Vertrauen. Die Heiler und Heilerinnen waren mir als Weisse und dem ganzen Team als Mitarbeitende des quasi ‚offiziel en’ Gesundheitsdienstes gegenüber skeptisch. Wenn jedoch das Eis gebrochen und das Vertrauen hergestel t werden konnte, wurden die Heilerinnen sehr offen. In einem nächsten Schritt organisierten wir Workshops in Dörfern, in denen der Gesundheitsdienst schon tätig war, für al e, an diesem Thema interessierten Leute. Im Vorfeld baten wir sie, ihnen bekannte Heilkräuter mitzubringen. Nach anfänglicher Zurückhaltung kamen die Leute in Fahrt und erzählten uns viel von ihren Erfahrungen mit Heilpflanzen. Die Veranstaltungen dauerten oft bis tief in die Nacht.
Da wir feststel en konnten, dass das Interesse und Wissen in der Dorfbevölkerung gross sind, bauten wir ein Projekt auf unter dem Schirm der GMIM - Gesundheitsstiftung mit dem Titel ‚Ganzheitliche Gesundheitsversorgung durch Förderung der traditionellenNaturheilkunde im Gesundheitswesen’. Die Ziele dieses Projektes waren u.a. -
Die Wiederbelebung der Kenntnisse über die Verwendung lokaler Heilpflanzen in der Bevölkerung,
Förderung des sicheren Gebrauchs von Kräuterheilmitteln,
Verminderung der Abhängigkeit von ‚modernen Medikamenten’ für einfachere Behandlungen, wie z.B. Husten, Erkältungen etc.
Einleitung eines Dialogs zwischen traditionel en Heilkundigen und Gesundheitspersonal zum besseren gegenseitigen Verständnis und gegenseitigen Lernen.
Dokumentation über die örtlichen Pflanzenheilmittel und ihre Verwendung als Teil der Minahasa – Kultur
Förderung der Anpflanzung und Verarbeitung bestimmter Heilpflanzen als Einkommensquel e für einen Teil der Bauern und zur Selbstfinanzierung des Projektes.
Ich kann Ihnen hier die verschiedenen Aktivitäten zur Erreichung dieser Ziele nicht im Detail schildern. Ich möchte Ihnen nur anhand von ein paar Bildern eine Zusammenfassung geben:-
Wir sammelten Informationen zu über 300 Medizinalpflanzen mit Rezepten und dokumentierten sie mittels Herbarium, Fotos und einer Datenbank mit lokalen und wissenschaftlichen Pflanzenbezeichnungen. Es gab bisher keine schriftlichen Dokumente über die lokalen Medizinalpflanzen und deren Wirkung und Anwendung.
Einen ca. 1,5 ha grossen Heilkräutergarten legten wir an mit über 200 beschrifteten Einzelpflanzen, mit Versuchs- und Produktionsfeldern, einem Mehrzweckgebäude und Solartrocknern zum schonenden Trocknen der Pflanzen.
Ein- bis mehrtägige Kurse wurden durchgeführt für interessierte Frauen und Männer aus den Dörfern, die einerseits dem Wissensaustausch dienten, andererseits zeigten wir den Teilnehmenden, wie sie einfache Medikamente aus den Pflanzen herstel en konnten, wie z.B. Hustensirupe, Salben, Oele u.a.
Ein Leitfaden mit Heilkräuterrezepten wurde zusammengestel t und verschiedene Poster mit Rezepten gestaltet.
Auch konnte eine kleine Klinik für komplementäre Medizin im Bethesda- Spital mit einer Kräuterapotheke eröffnet werden.
Es wurden Tagungen zur Dialogförderung zwischen traditionel en Heilkundigen und Gesundheitspersonal veranstaltet.
Mit anderen Kirchen in Ost – Indonesien tauschten wir Erfahrungen aus und bauten eine Zusammenarbeit auf, insbesondere mit der Kirche in Ost - Kalimantan (GKPI).
Wir arbeiteten auch zusammen mit dem staatlichen Gesundheitsdienst. (Die indonesische Regierung plante ein Zentrum zur Erforschung und Anwendung der traditionel en Heilkunde in Manado und in jeder Provinz.).
Versuchsfelder für den biologischen Anbau von Heilkräutern wurden angelegt; z.B. für den viel verwendeten roten Ingwer, der nicht nur in der Küche sondern als Heilmittel bei Husten, Erkältung, rheumatischen Schmerzen, Reisekrankheit verwendet wird.
Der Anbau und die Verwendung von lokalen Heilkräutern erfuhr in den 90ger Jahren in ganz Indonesien ein ‚Revival’, nicht zuletzt dank der Förderung durch den Staat. Indonesien ist ein Land mit einer grossen Pflanzenvielfalt, inkl. Heilpflanzen. Insbesondere in den noch vorhandenen primären Regenwäldern gibt es viele unerforschte Pflanzen, die von den Einheimischen zu Heilzwecken verwendet werden und die grosses Potential aufweisen. Einerseits wird die Erforschung von Heilpflanzen an verschiedenen Universitäten vom Staat gefördert, andererseits auch das Pflanzen von Heilkräutern in den Hausgärten und deren Anwendung in den Familien.
Als Mitarbeitende eines staatlich anerkannten Gesundheitsdienstes durften wir nur Heilpflanzen verwenden und empfehlen, deren Wirksamkeit und Ungefährlichkeit (mehr oder weniger) wissenschaftlich erwiesen oder jedenfal s beschrieben sind. Und nun ein paar Worte zu den Heilkräuterspezialisten und –spezialistinnen. Unter den verschiedenen Kategorien von Heilern hatte ich am meisten Kontakt mit ihnen. Sie arbeiten teils mit eigenen Rezepten, die sie von ihren Vorfahren geerbt haben, und deren Zusammensetzung streng geheim ist. Einige dieser Heilerinnen und Heiler haben mir ein paar ihrer Rezepte anvertraut mit der Auflage, dass ich sie nicht weiter geben durfte. Ihre Toprezepte, für die sie bekannt waren, blieben geheim und werden bestenfal s an einen Nachkommen weitergegeben. Viele ‚Dukun’ werden durch immer wiederkehrende Träume zum Heilen berufen. Sie erfahren auch im Traum oder in Trance, welche Pflanzen sie für welchen Patienten verwenden sol en. Die Auswahl dieser Pflanzen entspricht nicht unseren pharmakologischen, wissenschaftlichen Normen, sondern basiert auf dem vom Heiler erkannten Krankheitsbild, das ein völ ig anderes ist als das schulmedizinische. In der Minahasa ist der Sammelbegriff für Heilkräuter ‚ Uba (obat) Makatana’, d.h. Heilmittel im Besitz der Erde. Pflanzen sind wie die Menschen und Tiere Lebewesen, die auf und von der Erde leben. Auch Pflanzen sind beseelt. Deshalb teilt ein Heiler einer Pflanze mit, wofür er sie braucht und dankt ihr, bevor er sie abschneidet und als Heilmittel verwendet. Wichtig sind auch der Zeitpunkt des Erntens, sowie die Menge; bei Blättern muss es stets eine ungerade Zahl sein, z.B. 5 oder 7 (magische Zahl).
Einige Pflanzen wurden mir gezeigt, die böse Geister fernhalten können, wie z.B. Tawaang (Dracaena terminalis) , eine Zierpflanze’, die ums Haus gepflanzt wird zum Schutz. Diese Pflanze sieht man praktisch bei jedem Haus in der Minahasa. Besonders gefährdet durch ‚Störungen von aussen’ sind Neugeborene; sie können z.B. durch den bösen Blick eines Menschen krank gemacht werden. Ihnen wird deshalb oft ein Stückchen der ‚Bangle’ – Knol e (Zingiber purpureum Roxb.) um den Hals gebunden, die einen ganz speziel en Duft hat.
Über den Weg der Heilpflanzen habe ich viel gelernt über das Verständnis von Gesund- oder Kranksein der Minahasa. Unsere biomedizinischen Krankheitsmodel e verstehen sie kaum. Ihre Krankheitsbilder, die ich nicht näher erforscht habe, sind sehr komplex. Sehr al gemein gefasst, wird eine Krankheit als Störung des inneren, körperlich – seelisch - geistigen Gleichgewichts gesehen. Dieses innere Gleichgewicht gewinnt man durch Harmonie mit sich selbst, der Familie, der Gemeinschaft, der Natur und Umwelt und natürlich mit Gott. Die Störung dieses Gleichgewichts ist oft auf ein Fehlverhalten des Betroffenen zurückzuführen, sei es durch falsche Ernährung, Nichtbeachtung von Verhaltensregeln, zwischenmenschliche Probleme, eine gestörte Beziehung zu Gott etc. oder dann auch durch böse Kräfte von aussen. ‚Jemand hat mir die Krankheit geschickt’ ist nicht selten zu hören in der Minahasa, was zu heiklen Situationen führen kann, wenn der Heiler den Namen der verdächtigten Person nennt. Aufgabe der HeilerInnen ist es, die Ursache dieser Störung herauszufinden und das Gleichgewicht wieder herzustel en, also eine vol kommen andere Diagnosestel ung als in unserer technisch - analytischen Medizin. Jeder Heiler, jede Heilerin hat seine / ihre eigene Technik in der Diagnosestel ung und Therapie. Die ‚Dukun’ arbeiten sehr individuel ; ich konnte auch keine Zusammenarbeit zwischen ihnen feststel en. Chinesische Medizin: auch in der Minahasa, vor al em in Manado, gibt es chinesische Heilkundige, die mit Akupressur und Kräutermischungen (mit Pflanzen aus China) kranke Menschen behandeln. Ich persönlich hatte wenig Kontakt zu ihnen. B ie machen die Menschen in der Minahasa Gebrauch von diesen verschiedenen Anbietern?
Eine eindeutige, für die Minahasa Gesel schaft gültige Antwort gibt es nicht, da das Verhalten bei einer Krankheit von vielen Faktoren abhängig ist, wie Schwere der Krankheit, Krankheitsvorstel ung, medizinische Versorgungsmöglichkeiten in der Nähe, finanziel e Situation; aber auch Vertrauensfragen spielen mit. Bei al täglichen Beschwerden wird mit Selbstmedikation versucht, z.B. bei Zahn- oder Kopfschmerzen hilft eine Schmerztablette aus dem Warung’ oder ein Tee. Bei Verstauchungen und Rückenschmerzen helfen Massagen und Kräuterwickel etc. Massagen spielen übrigens in der Minahasa bei vielen Krankheiten eine grosse Rol e und es gibt viele ausgezeichnete Masseusen und Masseure. Ihre wohltuende Wirkung habe ich selbst mehrere Male erlebt!
Bei welchen Krankheiten werden noch heute gerne Heilkräuter verwendet? Eigentlich bei al en gesundheitlichen Störungen, als Selbstmedikation vorwiegend bei Husten, Erkältungen, Magen-, Darmbeschwerden, Hautleiden, wie Ekzeme, zur al gemeinen Stärkung, bei Appetitlosigkeit, Blasenbeschwerden u.a. Heilkräuterkundige kennen auch Heilkräuter - Rezepte gegen Malaria, z.B. ‚Brotowali (Tinospora crispa), Rheuma, Gicht hohen Blutdruck, Diabetes etc. Auch bei den verschiedenen Formen von Krebs werden Pflanzen eingesetzt, deren Wirkung wissenschaftlich noch nicht untersucht und bewiesen ist, die aber durchaus zum subjektiven Wohlbefinden eines Patienten beitragen können. Interessant ist, dass in der Minahasa bei Krebs vorwiegend Parasiten- oder Schmarotzerpflanzen, ‚Benalu’ genannt, eingesetzt werden, d.h. Pflanzen, die auf einer Wirtspflanze wachsen und sich von ihr ernähren, wie z. B. die bei uns bekannte Mistel. Die Mistel wird in der anthroposophischen Medizin bei Krebsleiden angewendet. Diese Paral ele finde ich sehr interessant. Fast ausschliesslich werden einheimische Pflanzen zu Heilmitteln verwendet, die einerseits im Garten angepflanzt werden oder in der freien Natur wachsen; z.B. ‚Kumis kucing(Orthosiphon aristatus),bei uns bekannt unter dem Namen Indischer Nierente bei Nieren- und Blasenbeschwerden. Sehr reich an Heilpflanzen ist die Familie der Ingwergewächse(Zingiberaceae); in der Minahasa werden ca. 15 Arten aus dieser Familie zu Heilzwecken verwendet. Auf Java sind es noch mehr. Es werden die Knol en verwendet, die al e einen sehr spezifischen Geruch und Geschmack haben, z.B
Ingwer, ‚Jahe’ oder ‚Goraka’ (Zingiber officinale) genannt wird verwendet bei Verdauungsbeschwerden, Blähungen, Reisekrankheit (Übelkeit), Husten, Erkältung, rheumatischen Gelenkbeschwerden. Oder: die Gelbwurz, ‚Kunyit’ (Curcuma longa) (gibt dem Curry die gelbe Farbe) bei Magen- Darmbeschwerden, Durchfal , schlecht heilenden Wunden.
Wenn trotz der Pil e aus dem ‚Warung’ oder des Kräutertees keine Besserung eintritt, suchen viele Menschen Rat in einem staatlichen oder kirchlichen Gesundheitszentrum. Al ein die Zahlen des Bethesda – Krankenhauses, wo jährlich ungefähr 10'000 Patienten stationär und ca. 65'000, d.h. 200 - 300 täglich, ambulant, behandelt wurden, zeigen, dass das biomedizinische Gesundheitssystem in der Minahasa einen wichtigen Stel enwert einnimmt. Die Menschen anerkennen und erleben dessen positive Auswirkungen; oft nehmen sie grosse finanziel e Opfer auf sich für eine Behandlung oder Operation in einem Krankenhaus. Sie verkaufen z.B. ein Stück Land oder nehmen einen Kredit auf.
Das Interesse an der modernen Medizin konnte ich auch daran erkennen, dass immer sehr viele Frauen und Männer an den Informationsveranstaltungen teilnahmen, die im Bethesdakrankenhaus regelmässig durchgeführt wurden, z.B. zum Thema Tuberkulose, Bluthochdruck (stark verbreitet in der Minahasa), Diabetes (stark verbreitet) und in letzter Zeit HIV / Aids.
Bei psychischen Krankheiten werden vorwiegend nur HeilerInnen aufgesucht und / oder auch PfarrerInnen. Psychologen und Psychiater gab es noch sehr wenige zu meiner Zeit.
Sehr oft machen kranke Menschen vom biomedizinischen und traditionel en System Gebrauch. Sie haben erkannt und erfahren, dass ärztlich verordnete Medikamenten helfen, z.B. Antibiotika bei einer schweren Infektion, Medikamente zur Senkung des Bluthochdrucks oder ein Schmerzmittel bei starkem Rheuma. Trotzdem suchen sie noch einen Heilkundigen in ihrem Dorf auf. Warum ?
Die Ärzte im Bethesdakrankenhaus waren so überlastet mit ihrer Arbeit auf der Abteilung und den vielen wartenden Poliklinikpatienten, dass sie sich für den einzelnen nur wenig Zeit nehmen konnten. Ein echtes Vertrauensverhältnis lässt sich aber nicht in Eile aufbauen. Zudem ist eine ärztliche Diagnose für die meisten Patienten unverständlich und fremd, da sie ein anderes, kulturel bedingtes Krankheitsverständnis haben.
Die Vorzüge der Heiler und Heilerinnen liegen darin, dass sie oft ihre Patienten und ihr Umfeld, ihre Familien kennen, dass sie sich viel Zeit nehmen für die Behandlung und die Krankheit in den, dem Patienten vertrauten kulturel en Kontext stel en. Ihre Sprache ist meist verständlicher als die eines Arztes. Ganz wichtig ist das Vertrauen, das den Heilkundigen entgegen gebracht wird. Ich denke, dass viele Heiler und Heilerinnen, viel eicht über ihre Rituale, eine spirituel e Beziehung zum Patienten aufbauen können. Bei einer Behandlung durch eine Heilerin oder einen Heiler wird auch die Familie mit einbezogen, da eine Krankheit nie nur das Individuum betrifft, sondern immer auch die Mitmenschen, die Familie und die Dorfgemeinschaft. Sehr oft müssen die Kranken und ihre Familien aktiv im Behandlungsprozess mitmachen, d.h. gewisse Handlungen durchführen, Kräuter suchen und eine Mixtur nach Anleitung selber herstel en oder der / die ‚Dukun’ lässt den Kranken aus der Bibel vorlesen. Sie sind nicht nur passiv Empfangende. Ein weiteres wichtiges Merkmal der ‚Dukun’ ist, dass sie kein Entgelt für ihre Behandlungen entgegen nehmen dürfen. Wenn ein Heiler sich bezahlen lässt, verliert er unweigerlich seine Fähigkeit und Kräfte zum Heilen. Nicht verboten und wohl auch erwartet sind Geschenke in Form von Naturalien, z.B. Reis oder mal ein Huhn. Viel eicht auch ein bisschen Geld, das irgendwo hingelegt wird.
Leider erkennen Heilkundige oft ihre Grenzen nicht; d.h. sie schicken schwerkranke Patienten erst ins Krankenhaus, wenn’s sehr kritisch oder gar zu spät ist. ‚Böse gesagt’: um den guten Ruf zu erhalten, ist es besser, wenn der Patient im Krankenhaus stirbt als beim Heiler. Ich habe mich mal mit einem Heiler vehement gestritten, der behauptete, wirksame Mittel und Methoden gegen Tetanus (Starrkrampf) und die noch weit verbreitete Tol wut zu haben, weil ich immer wieder erlebte, dass Menschen mit diesen Krankheiten zu spät ins Krankenhaus kamen.
Aufgrund meiner Erfahrungen suchen Menschen aus al en sozialen Schichten Rat bei den ‚Dukun’. Man geht zum ‚Dukun’; aber man spricht nicht darüber. Es kam immer wieder vor, dass Patienten eine/n Heilkundige/n sogar ins Krankenhaus kommen liessen zu einer Zeit, da kein Arzt um den Weg war. Die Krankenschwestern drückten ein Auge zu. Niemand hat’s gesehen und niemand spricht darüber. Ich bekam den Eindruck, als ob sich die Menschen, die sich als modern und gläubige Christen sehen, schämten, wenn sie beim ‚Dukun’ Rat suchen. Nicht wenige Christen, auch aus al en sozialen Schichten, lehnen das ‚traditionel e Heilsystem’ ab, ausser den erprobten Heilkräutern. Einige haben mir gesagt, dass sie sich bei den Heilungsritualen nicht wohl fühlen, ja sogar ängstigten. Sie spüren etwas Dunkles, wie sie sagten. Sie sehen Jesus Christus als einzige Quel e des Heils und der Heilung und wol en keine Ahnen anrufen. hlussgedanken
Auf die biomedizinische Gesundheitsversorgung möchten die Menschen in der Minahasa wohl nicht mehr verzichten, da sie ihren Nutzen täglich erfahren und schätzen. Das grosse Problem ist, wie bei uns, deren Finanzierung. Viele Minahasa empfinden aber auch ein Manko der Schulmedizin, nämlich, dass eine Krankheit auf eine Störung von chemisch – physikalischen Vorgängen in einem Organ reduziert wird, die mittels Labor oder radiologischen Untersuchungen sichtbar gemacht werden können. Das kranke Organ wird therapiert, nicht der kranke Mensch als Einheit von Körper, Seele und Geist. Die seelisch – geistigen Komponenten des Menschen werden praktisch ausgeblendet in der Schulmedizin; selbst in unserer Psychiatrie fehlt die spirituel e Dimension weitgehend. Dieses grosse Problem wird auch bei uns langsam von Medizinern erkannt. Viele kranke Menschen suchen bei alternativen / komplementären Heilmethoden Hilfe, wie z.B. Homöopathie, chinesische Medizin, Osteopathie, etc.; auch spirituel es Heilen mit Handauflegen wird wieder ‚in’. Die Palette der alternativen, komplementären Medizin ist vielfältig. Sie widerspiegelt die Bedürfnisse in unserer Bevölkerung. Der Schweizer Psychiater, Jakob Bösch, der mit Geistheilerinnen zusammen arbeitet, hat ein Buch geschrieben mit dem Titel ‚Spirituel es Heilen und Schulmedizin, eine Wissenschaft im Neuanfang’. Er schreibt: “Bei den schamanischen Völkern rund um die Erde und in al en Hochkulturen, insbesondere auch bei den unsere Kultur begründenden Griechen war das Heilen mit dem Gebrauch intuitiver, hel sichtiger und spirituel er Kräfte verbunden….“Weiter schreibt er: „Ich sehe keinen anderen Weg, als die uralten Kräfte und Einsichten wieder zu entdecken und in wissenschaftlicher Art zu integrieren, wenn wir aus unserem selbstgemachten Unglück, unserer globalen Krankheit wieder herausfinden wol en. Die lebendige Seele, wahrscheinlich das, was viele Gott nennen, hat die Kraft zu heilen, uns selber und andere.“
Zurück in die Minahasa, wo viele Menschen, bekennende Christen und Christinnen, zur ganzheitlichen Heilung Rat bei den ‚Dukun’ suchen. Da stel en sich viele Fragen, die meines Erachtens in der GMIM bis anhin ungenügend diskutiert und erforscht worden sind. In dem Zusammenhang möchte ich Ihnen eine Frage weitergeben, die ich von HeilerInnen oft hörte: ‚Bin ich ein schlechter oder gar kein Christ, wenn ich hilfesuchenden Menschen mit meinen Fähigkeiten helfe, die ich im Traum oder in Trance von unseren Vorfahren vermittelt bekomme und nur zum Wohl des Patienten einsetze?’Al e bezeugten, dass letztlich ihr Wissen und ihre Fähigkeiten zum Heilen ein Geschenk Gottes des Al mächtigen seien. Sie fühlen sich von der Kirche ‚an den Rand gedrängt’ wie sie sagten.
Mit einer Aussage von Pfarrer Peter Kodjo aus Ghana möchte ich schliessen:‚…Wenn wir Ansichten und Glauben der Menschen kennen lernen, so werden dadurch neue Einblicke erschlossen, die bis heute der modernen Medizin verborgen blieben. Krankheit ist nicht nur etwas, das geheilt werden muss, sondern es ist eine Chance für jeden, die Harmonie in sich selber und mit seiner Umwelt wieder herzustel en. Ärzte sind keine Verteiler von Arzneimittel n, keine Techniker, die Krankheiten ‚herausmontieren’. Sie sind eher Heiler, und heilen befasst sich mit dem physischen, psychischen und spirituel en Zustand eines Menschen.“Weiter sagte er: “Wenn moderne Medizin mit ‚spirituel em Heilen’ zusammentrifft, dann stel en sich viele theologische Fragen, auf die es keine vorgefertigten Antworten gibt.“
Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!
Quel en:- Jakob Bösch ‚Spirituel es Heilen und Schulmedizin’, Verlag Lokwort Bern,2002- Bert Supit ‚Minahasa’, Penerbit Sinar Harapan, 1986 - Peter van Eeuwijk ‚Diese Krankheit passt nicht zum Doktor’, Ethnolog. Seminar Basel 1999- Zeitschrift ‚Auftrag’ Nr. 6, Dez. 1992 und Nr. 1, Jan. 2002
EKHN - Studientag Indonesien ‚Naturreligiöse Wurzeln des Glaubens’29. September 2012 in AlzeyEsther Stähelin
Close control rule is no longer relevant — replaced by dispensing frequency rule The Pharmaceutical Schedule specifies for each medicine a default dispensing frequency - one or three months (six months for OCs). It is recommended prescribers write each medicine using: generic medicine name (not brand name), route of administration and/or formulation, dose and frequency of administration or oth
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