Bewertung der Sartane im Vergleich zu ACE-Hemmstoffen
Prof. Dr. med. Wolfgang Motz Klinikum Karlsburg Herz- und Diabeteszentrum Mecklenburg-Vorpommern Greifswalder Str. 11 17495 Karlsburg
In den letzten 20 Jahren konnte gezeigt werden, dass das Enzym Angiotensin
II eine Schlüsselrol e bei der arteriel en Hypertonie und der Herzinsuffizienz
spielt. Eine Hemmung der Konversion von Angiotensin I in Angiotensin II durch
das Angiotensin-Konversionsenzym führte zu einer deutlichen Senkung der
Mortalität der Herzinsuffizienz. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass die
Hemmung des Angiotensin-Konversionsenzyms das Neuauftreten eines Herzin-
farktes verringerte. Gleichzeitig wirken Angiotensin-Konversionsenzym-
Hemmer (ACE-Hemmer) als potente Blutsenker bei der Bluthochdruckerkran-
Zusammenfassend sind die ACE-Hemmstoffe heute etablierte Substanzen in
• der Therapie des Bluthochdrucks, • der Herzinsuffizienz und • in der Sekundärprophylaxe des Myokardinfarktes.
Untersuchungen haben gezeigt, dass trotz einer Hemmung des Angiotensin-
Konversionsenzymes noch erhebliche Mengen Angiotensin II unter anderem
durch das Enzym Chymase gebildet werden. Deshalb wurden Substanzen
entwickelt, die direkt die Angiotensin II Bildung am Rezeptor blockieren, die
sogenannten Angiotensin II – Blocker (oder AT1-Blocker), die pharmakologisch
zur Gruppe der Sartane gehören. In einer Vielzahl von Studien wurden die
Sartane gegen die etablierten ACE-Hemmer in den Indikationen (i) Herzinsuffi-
zienz, (i ) Bluthochdruck und (i i) Sekundärprophylaxe des Myokardinfarktes
untersucht. Folgende Ergebnisse fanden sich:
In der ELITE II-Studie ergaben sich bei Herzinsuffienz für eine Behandlung mit
Losartan oder dem ACE-Hemmer Captopril keine Unterschiede hinsichtlich
Mortalitäts- oder Hospitalisationsraten.1
In der CHARM-Added Studie wurde die zusätzliche Gabe von Candesartan zu
einer etablierten Therapie der Herzinsuffizienz mit ACE-Hemmern überprüft. Es
fand sich keine signifikante Verbesserung der Gesamtmortalität.2 Es handelt
sich um die einzige Studie, in der eine Kombinationstherapie signifikant die
kardiovaskuläre Mortalität um 13% gesenkt hat. Dabei ist zu berücksichtigen,
dass die Patienten nur zum Teil mit Betablockern behandelt wurden und die
1 Pitt B et al, Effect of losartan compared with captopril on mortality in patients with symptomatic heart failure: randomised trial--the Losartan Heart Failure Survival Study ELITE II; Lancet 2000; 355: 1582-1587 2 McMurray JJ et al.,CHARM Investigators and Committees. Effects of candesartan in patients with chronic heart failure and reduced left-ventricular systolic function taking angiotensinconverting- enzyme inhibitors: the CHARM- Added trial; Lancet 2003; 362:767– 771
In der VALHeft-Studie wurde die zusätzliche Gabe von Valsartan zu einer
etablierten Therapie der Herzinsuffizienz mit ACE-Hemmern, Diuretika etc.
überprüft. Es fand sich keine signifikante Verbesserung der Überlebenswahr-
scheinlichkeit bei herzinsuffizienten Patienten.3
Bewertung: Kein Vorteil von Sartanen hinsichtlich Mortalität; in der Kombinati-
onstherapie beider Substanzgruppen fragliche, klinisch nicht sichere Vorteile
bei der schweren Herzinsuffizienz. Nur in Einzelfäl en nach Versagen einer op-
timierten Therapie mit ACE-Hemmern und Betablockern kann eine Kombinati-
Aldosteronantagonisten möglicherweise sinnvol sein.
3 Cohn JN, Tognoni G, For The Valsartan Heart Failure Trial Investigators (Val-HeFT): A randomized trial of the angiotensin-receptor blocker valsartan in chronic heart failure; N Engl J Med 2001; 345: 1667-1675
Indikation Sekundärprophylaxe des Myokardinfarktes:
In der VALIANT- und OPTIMAAL-Studie wurden Valsartan und Losartan gegen-
über dem ACE-Hemmstoff Captopril bei Patienten nach Herzinfarkt unter-
sucht.4 Es fand sich keine Überlegenheit der Sartane gegenüber dem ACE-
Hemmstoff Captopril hinsichtlich der Mortalität und kardiovaskulärer Morbidi-
4 Pfeffer MA et al., Valsartan, captopril, or both in myocardial infarction complicated by heart failure, left ventricu-lar dysfunction, or both (VALIANT); N Engl J Med 2003; 349: 1893-1906 Dickstein K, Kjekshus J, Effects of losartan and captopril on mortality and morbidity in highrisk patients after acute myocardial infarction: the OPTIMAAL randomised trial. Optimal Trial in Myocardial Infarction with Angiotensin II Antagonist Losartan; Lancet 2002; 360: 752-760.
Die ONTARGET-Studie verglich den ACE-Hemmer Ramipril, Telmisartan und die
Kombination Ramipril+Telmisartan bei Hochrisikopatienten, die größtenteils
Hypertoniker waren. Nach 5 Jahren fanden sich keine Unterschiede hinsicht-
lich Tod aus kardiovaskulärer Ursache, Myokardinfarktrate, Schlaganfal oder
Bewertung: Gleiche Wirksamkeit von ACE-Hemmstoffen und Sartanen; die
Kombinationstherapie war ungünstig hinsichtlich der Nierenfunktion.
Ausschließlich bei Hypertonikern durchgeführte direkt vergleichende End-
punktstudien liegen nicht vor. Eine Metaanalyse von 61 Studien bei Hyperto-
nikern über 12 Wochen bis max. 5 Jahre ergab keine Unterschiede beider
Substanzgruppen hinsichtlich linksventrikulärer Funktion, Nierenfunktion, Blut-
drucksenkung, Lebensqualität, Diabetesinzidenz und Lipidstoffwechsel. 5 Bei
56% der Hypertoniker gelang unter Monotherapie eine ausreichende Blut-
drucksenkung sowohl mit ACE-Hemmstoffen als auch Sartanen. Die Abbruch-
raten unterschieden sich um ca. 7% aufgrund einer häufigeren Rate an Reiz-
Generel sind ACE-Hemmstoffe und Sartane weitgehend stoffwechselneutral
und verschlechtern die Stoffwechsel age bei Diabetikern nicht. Auch sind
beide Substanzgruppen beim Vorliegen einer diabetischen Nephropathie zu
bevorzugen. Eine Überlegenheit von Sartanen gegenüber ACE-Hemmstoffen
ist in dieser Indikation nicht belegt.6 Das Risiko eines Schlaganfal rezidivs wurde
in der PROFESS-Studie durch Telmsartan nicht beeinflusst.7 Die Häufigkeit von
rezidivierendem Vorhofflimmern konnte durch Irbesartan oder Valsartan nicht
Bei ca. 10% al er mit ACE-Hemmstoffen behandelten Patienten kommt es zu
einem trockenen nicht produktiven Reizhusten, der in seltenen Fäl en aber
auch bei mit Sartanen behandelten Patienten auftritt. Aus diesem Grunde
sind nach dem heutigen Stand der Forschung Sartane Ersatzsubstanzen, wenn
unter einer ACE-Hemmer Behandlung Husten auftritt. Generel ist nicht belegt,
dass die Sartane hinsichtlich klinischer Wirksamkeit in den Indikationsgebieten
(i) Herzinsuffizienz, (i ) Bluthochdruck und (i i) Sekundärprophylaxe des Myo-
kardinfarktes den ACE-Hemmstoffen überlegen sind.
5 Matchar DB et al. , Systematic Review: Comparative Effectiveness of Angiotensin-Converting Enzyme Inhibitors and Angiotensin II Receptor Blockers for Treating Essential Hypertension; Ann Intern Med 2008; 148(1): 16-29 6 Strippoli GF et al., Angiotensin converting enzyme inhibitors and angiotensin II receptor antagonists for prevent-ing the progression of diabetic kidney disease; Cochrane Database Syst Rev. 2006; 18(4): CD006257. 7 Yusuf S et al., Telmisartan to Prevent Recurrent Stroke and Cardiovascular Events, N Engl J Med 2008;359. 8 The GISSI-AF Investigators. Valsartan for prevention of recurrent atrial fibrillation. N Engl J Med 2009; 360: 1606-1617; Atrial Fibrillation Clopidogrel Trial with Irbesartan for Prevention of Vascular Events (ACTIVE) trial program, präsentiert beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC) 2009 in Barcelona
Besondere Situation in Mecklenburg-Vorpommern
Der überproportionale Einsatz und die Bevorzugung von Sartanen sind klinisch-
wissenschaftlich nicht nachvol ziehbar. Der überproportionale Einsatz von
Sartanen dürfte der erfolgreichen Meinungsbildung durch die Pharmaindust-
rie geschuldet sein, die die – meines Erachtens überschätzte - geringere
Nebenwirkungsrate im Vergleich zu ACE-Hemmern erfolgreich bewerben. Ein
primärer Einsatz von Sartanen kann wissenschaftlich für keine Patientengrup-
pe begründet werden. Dies gilt umso mehr als aktuel ein Zusammenhang zwi-
schen der Einnahme von Sartanen und Krebserkrankungen durch die Zulas-
sungsbehörden geprüft wird. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzte-
schaft hat in einer Stel ungnahme zum Krebsrisiko durch Sartane ebenfal s da-
rauf hingewiesen, dass „Aufgrund des fehlenden Nachweises einer überlege-
nen Wirksamkeit gegenüber ACE-Hemmern und der deutlich höheren Kosten“
Sartane nur dann indiziert sind, „wenn eine Hemmung des Renin-Angitotensin-
Aldosteron-Sytems therapeutisch erforderlich ist, aber ACE-Hemmer z.B. we-
gen einer Reizhustens nicht vertragen wurden“.9 ACE-Hemmer sind demnach
9 Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, AT1-Antagonisten (Sartane) und Krebsrisiko, Berlin, 2.8.2010, www.akdae.de
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